Pressekodex und Minderheitenschutz?
8. Oktober 2013 von Thomas Hartung
Vorab: das wird das erste Posting, in dem ich meine persönliche mit meiner politischen Überzeugung kombiniere. Aber die Umstände könnten besser zusammen nicht passen. Was ist passiert?
Da hat am 2. Oktober Horst Pöttker unter der Überschrift „Schluss mit der Selbstzensur“ in der „ZEIT“ gefordert, die Richtlinie 12.1 des Pressekodex zu ändern. Ihm geht es um folgenden Passus: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“ (Hervorhebung von mir)
Nun halte ich Pöttker, der jahrelang selbst Zeitschriftenredakteur war und seit ein paar Monaten Emeritus ist, für einen der letzten guten Journalistik-Professoren Deutschlands, bei dem tausende Studenten lernten, nicht nur hunderte wie bei mir. Was mag ihn umgetrieben haben? Für ihn sind es die drei Marokkaner, die im Dezember 2012 in Almere bei Amsterdam nach einem Regionalspiel brutal auf den 41-jährigen Linienrichter Richard Nieuwenhuizen eintraten, der am nächsten Tag an den Folgen stirbt und von deren Herkunft man – in Deutschland – nur durch vereinzelte Medien, aber vor allem aus „rechten Blogs“ erfuhr. Das mag als Anlass gelten, nicht aber als Ursache.
Die dürfte eher darin zu suchen sein, dass er seit Jahren im „Rat für Migration“ mitarbeitet, einem Gremium, das als bundesweiter Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seine zentrale Aufgabe in einer öffentlich kritischen Begleitung der Politik in Fragen von Migration und Integration sieht. Prompt textet er, dass „das starre Formulierungsverbot Journalisten vom Nachdenken über mögliche Problemursachen, die mit der Gruppenzugehörigkeit eines Täters zu tun haben könnten“, entlaste. Und weiter „Wer möchte, dass Journalisten verantwortlich handeln, sollte ihnen die Freiheit zu eigenem Abwägen zugestehen, denn sonst können sie Verantwortung weder empfinden noch wahrnehmen. Hinzu kommt, dass die Richtlinie das Publikum für dümmer hält, als es ist. …“ Donnerwetter. „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ wusste schon Ingeborg Bachmann. Pöttker verstärkt die Aussage noch: „Die bisherige Richtlinie geht also von einem Publikum aus, das Vorurteile hat und verführbar ist. Journalisten müssen aber für ein mündiges Publikum schreiben, dem sie auf Augenhöhe begegnen, sonst bringt ihre Arbeit die Gesellschaft nicht voran.“ Die Gesellschaft voranbringen??? Ist Pöttker über Nacht „eingreifender Wissenschaftler“ geworden?
Für mich ausschlaggebend, mich dieser Frage zu widmen, war eine ähnliche Attacke unter reziproker Perspektive (die auf Jonny K. in Berlin lasse ich mal weg). In der Nacht auf den 10. März 2013 geraten im niedersächsischen Kirchweyhe an einer Bushaltestelle auf der Heimfahrt von einem Discobesuch zwei Gruppen in einem Bus aneinander. Der 25-jährige Daniel S. will schlichtend eingreifen und wird nach dem Halt des Busses von Cihan A. so heftig gegen den Oberkörper getreten, dass er gegen einen der wartenden Busse geschleudert wird, mit dem Kopf ungebremst auf dem Asphalt der Straße aufprallt und regungslos liegen bleibt. Doch Cihan A. tritt weiter auf ihn ein. Daniel S. wird mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert und erliegt den Folgen des Angriffs. Zwei angeblich „rechtsextrem“ organisierte Mahnwachen wurden von der Gemeinde untersagt. Der Weyher Gemeinderat Andreas Bovenschulte erklärte gegenüber Radio Bremen u.a.: „Im Vorfeld der Veranstaltung hat es eine Welle des Hasses und des Aufrufes zu Straftaten im Internet gegeben. Uns ist das Risiko, dass es zu systematischen Straftaten im Zusammenhang mit der Durchführung der Veranstaltung kommt, zu groß.“ Stattdessen folgten 1.500 Bürgerinnen und Bürger von Weyhe dem Aufruf eines „Runden Tisches gegen Rechts und für Integration“ zu einer Mahnwache am Tatort. Und hier betonte Bürgermeister Frank Lemmermann (SPD), die Herkunft des Täters spiele keine Rolle: „Es trifft zu, dass der Haupttäter türkische Wurzeln hat, aber es hätten auch andere junge Männer sein können.“
Wie sehr haben uns die bevormundenden Deutungsmuster der 68er schon infiltriert? Wie blauäugig kann man eigentlich noch sein? Denn wenden wir uns nun der postjustitiablen Zusammenschau mit dem Fokus Berlin zu, habe sich das Verschweigen von Migrantengewalt bei der Berichterstattung „zu einem Verschleierungsinstrument verselbstständigt; zu einer Ansammlung von ,Du-darfst-nicht‘-Sätzen, die die Glaubwürdigkeit von Medien erschüttern, aber jede Erkenntnis verhindern. Antirassismus auf Knigge-Niveau.“ Und das war immerhin in der „taz“ zu lesen! 1.049 von Rohheits-Delikten hat die Berliner Polizei im vergangenen Jahr registriert. 32 Prozent der Tatverdächtigen waren ausländische Staatsbürger (ohne Illegale), weitere 41,5 Prozent deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Macht zusammen 73,5 Prozent – bei einem Anteil von 43,1 Prozent an allen jugendlichen Einwohnern. In seinem Berliner Bezirk Neukölln haben laut von den 200 Intensivtätern 90 Prozent einen Migrationshintergrund. Die jungen arabischstämmigen Männer würden die größten Probleme bereiten: „Sie machen neun Prozent der Bevölkerung aus, aber jeder zweite Intensivtäter trägt einen arabischen Namen,“ lässt er sich im „Focus“ zitieren. Dass daraus Forderungen von ihm oder auch von der Polizeigewerkschaft erwachsen wie Strafmündigkeit herabsetzen oder Strafmaße erhöhen, liegt auf der Hand.
Denkt man nun das Unbehagen ob dieser Befunde mit der Pöttkerschen Forderung zusammen, ergibt sich zunächst, dass Denkverbote wie etwa das des Berliner Linken-Fraktionschefs Udo Wolf, mit derartigen Zuschreibungen eine „stigmatisierende Debatte“ anzuheizen, sofort gekontert werden müssen. Und das hat, lieber Stefan Niggemeier, nichts mit dem von Ihnen konstruierten pauschalen Zusammenhang zu tun „Ob diese Zugehörigkeit irgendetwas mit der Tat zu tun hat, spielt für ihn entweder keine Rolle oder er geht davon aus, dass das eh immer der Fall ist: Eine Tat erklärt sich durch die Herkunft des Täters.“ Viel mehr zu tun hat die Zuschreibung mit jenem Nachdenken, das einer Ihrer Kommentatoren trefflich auf den Punkt bringt:
Das Problem mit dem Migrationshintergrund ist womöglich auch, dass eben nicht explizit erwähnt wird, wenn ein Deutscher ohne Migrationshintergrund eine entsprechende Tat begeht. Die Leute lesen also ständig »Südländer erschlägt Linienrichter« und stellen sich dann bei der Schlagzeile »Linienrichter von drei jungen Männern erschlagen« gleich Südländer vor, weil sie von Richtlinie 12.1 gehört haben, wobei der fehlende Migrationshintergrund vermutlich einfach nicht erwähnenswert erschien. Einen fehlenden Migrationshintergrund zu erwähnen, ist aber auch keine Lösung, denn z.B. »Linienrichter von drei jungen Deutschen ohne Migrationshintergrund erschlagen« suggeriert durch die Erwähnung des fehlenden Migrationshintergrunds, dass man bei einer solchen Tat sofort von einem Migrationshintergrund ausgehen muss und daher der fehlende Migrationshintergrund plötzlich erwähnenswert erscheint.
Es ergibt sich aber vor allem, dass diese Forderung bereits am 10. Juli 2012 erhoben, aber „selbstverständlich“ nicht beachtet wurde: von der Kleinpartei „Die Freiheit“, die damals als rechtspopulistisch und antiislamistisch galt.
Innerhalb eines Jahres eine solche Kehrtwendung? Wenn es noch eines Beweises bedarf, dass eine Partei wie die AfD wichtig ist und wie sie auch ohne im Bundestag zu sitzen die Politik bereits beeinflusst – hier ist er. In diesem Sinne arbeitet die AfD Sachsen auch weiter vertrauensvoll mit Ex-Freiheit-Mitgliedern zusammen, von denen ich inzwischen viele kennen- und schätzen lernen durfte.
„Wissen ist nicht dazu bestimmt, uns zu trösten. Es enttäuscht, beunruhigt, schneidet, verletzt.“ (Michel Foucault)
„In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Man muss hier noch den ominösen Abschnitt aus dem „Nationalen Aktionsplan Integration“ der Bundesregierung vom Dezember 2011 hinzunehmen, in dem offen die Sensibilisierung und Schulung von Redaktionsverantwortlichen und Programmverantwortlichen gefordert wird, um die „difizitäre [negative] Berichterstattung“ über Zuwanderer zu beheben. Der Passus findet sich auf Seite 19. Seit etwa 5 Wochen gibt es eine überarbeitete Fassung, in der dies abgeschächt wurde.
Die Gehirnwäsche, die dem Zweck dient, Täter zu schonen, ist bis weit in die Gesellschaft erfolgreich. Selbst die AfD, die sich den „Mut zur Wahrheit“ auf die Fahne geschrieben hat, hat die Berichterstattung über Gewalttaten gegen die eigenen Wahlkämpfer zu verhindern versucht.
Täterschonung nach ethischen Gesichtspunkten ist Rassismus. Sie produziert Desintegration, Ausländerfeindlichkeit und das Erstarken radikaler Gruppen. Die pauschale Bezeichnung „Migranten“ für integrierbare und nichtintegrierbare Zuwanderergruppen, ist ein Skandal und stellt Unschuldige unter Gereralverdacht. Von den nichtintegrierbaren Gruppen wird der Pauschalbegriff gezielt ausgebeutet und als Deckung genutzt.
Schaut euchmal diese Statistiken an(meist Offizielle vom Staat)
http://messerattacke.wordpress.com/neue-falle-einsortieren/kriminalstatistik/comment-page-1/#comments