Warum deutsch können, wenns auch englisch geht…
25. Juli 2014 von Thomas Hartung
Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, will bis 2020 alle Master-Studiengänge an der TU auf die Standard-Unterrichtssprache Englisch umstellen. Da muss ich wieder mal fragen: Geht’s noch?
Die Muttersprache, das Denken, Überlegen, Erwägen, Spekulieren, Nachsinnen, Grübeln, Reflektieren usf. – soll jetzt einfach durch eine fremde Sprache ersetzt werden? Wie identitätsvergessen gegenüber der eigenen Sprache und überheblich gegenüber der englischen ist das eigentlich? Wir wissen nicht erst seit der Kolonialzeit, dass es schon immer eine wirkungsvolle Methode war, Menschen zu unterdrücken und gleichzuschalten, indem man ihnen die Muttersprache, damit einen wesentlichen Teil ihrer Identität und auch die Möglichkeit nimmt, sich wirklich differenziert auszudrücken.
Als Christian Thomasius am Reformationstag 1687 eine deutschsprachige Vorlesung ankündigte, galt das als Beginn der Aufklärung. Latein wurde als Wissenschaftssprache abgeschafft. Der Vorteil: in der Muttersprache lässt sich präziser denken als in Fremdsprachen. Wird also nur noch Englisch gelehrt, wird wohl endgültig jede kritische Stimme zum Schweigen gebracht. Nach dem Studium, in der Arbeit … spricht man dann auch nur englisch? Wer wünscht, dass sich das Berufsleben in Zukunft nur noch auf englisch/amerikanisch abspielt?
Doch nicht nur das, in dem Artikel schreibt der Autor tatsächlich: „Noch ist die Angst vor dem Deutschen ein Punkt, der viele ausländische Studenten abhält, sich hierzulande zu bewerben.“ Und weiter zitiert er den Präsidenten: „Es kann dazu kommen, dass bestimmte Quoten gesetzt werden: für Studenten aus Deutschland und der EU einerseits und für Studenten aus aller Welt andererseits.“ Zum zweiten Mal: Geht’s noch? Nicht nur, dass unsere Universitäten aus unseren Steuergeldern bezahlt werden. Nein, so werden unsere Hochschulen mit hochwertigen und noch dazu kostenlosen Studienangeboten auf Englisch künftig wirklich das Schlaraffenland für angehende Ingenieure aus aller Welt. Da tröstet nicht, dass der Präsident dann die Kostenfreiheit der Studiengänge zur Debatte stellt – und damit klar macht, dass es ihm wohl eher um zahlende Studenten geht, die hoffentlich Grips mitbringen, denn um intelligente, die nicht unbedingt Geld mitbringen (können).
Immerhin: auch der bayerische Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle merkt, dass das eine Entwicklung befördert, „die Deutsch trotz seiner Bedeutung im weltweiten Kontakt weiter zurückdrängt. Daran kann einer Kulturnation nicht gelegen sein.“ Erst recht, wenn der Bundestag tatsächlich mal macht, was er soll, und sich bei den Ländern dafür einsetzt, dass an Hochschulen in der akademischen Lehre ein ausgewogenes Verhältnis zwischen deutschsprachigen und fremdsprachigen Studienangeboten und Veranstaltungen gefunden wird. Und das umso mehr, als auch wir fordern, die Diskriminierung der deutschen Sprache in Brüssel zu verringern. Wenn nun eine Elite-Universität, die mit erheblichen Steuergeldern gefördert wird, ihrerseits der deutschen Sprache Zweitrangigkeit einräumt, erscheinen die europäischen Bemühungen wie ein Hohn. Dazu die wirtschaftliche Bedeutung: Unternehmen weisen auf den Zusammenhang zwischen der Kenntnis der deutschen Sprache und dem Kauf deutscher Produkte hin.
Die TU München sollte Respekt vor der Mehrsprachigkeit zeigen. Es gab mal eine Zeit, in der an deutschen Gymnasien drei Sprachen als die übliche Qualifikation, die man am Ende haben sollte, vorgesehen waren. Es ist nicht so leicht einzusehen, warum auf der höchsten akademischen Ebene nicht auch mehrere Sprachen benutzt werden sollen. Zumal wenn ein ausländischer Student in Deutschland studieren will, sollte es eher normal sein, dass er sich der Sprache des Gastlandes anpasst und diese lernt, statt umgekehrt zu erwarten, sich ins gemachte Studiennest zu legen.
Monoglossie bedingt Traditionsverlust, Werteverlust, geistige Verarmung. Deutsch Gedachtes englisch auszudrücken entstellt das Gedachte. „In alten Zeiten gingen die Leute nicht so leichtfertig mit der Sprache um, denn sie hatten Skrupel, daß sie hinter ihren eigenen Worten zurückbleiben könnten.“ (Konfuzius)