Soul, Sucht & Schmerz. Oder: hat das Business sein Problemkind gefressen?
24. Juli 2011 von Thomas Hartung
Amy Whinehouse gehört ihm nun auch an, jenem ominösen „Club 27„: nach Jimi Hendrix, Brian Jones, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain ist sie die sechste durchaus namhafte Musikerin. Ganz ehrlich: ich konnte mit ihr als Person nicht viel anfangen. Aber ein paar ihrer Stücke finde ich genial. Und spätestens nach Cobain drängte sich der Verdacht auf, dass bei der „27“ vielleicht mehr dahinterstecken könnte als nur „a strange sense of humour“, den Gott da an den Tag legte.
Fündig kann man werden in den Bereichen Numerologie und Esoterik, die sich vor allem mit der Quersumme aus 27 als „Essenz gelebten Lebens“ befassen: der „9“. Manche mögen solche Deutungen zwar als „parawissenschaftlich“ abtun – ich finde sie aber durchaus interessant.
So stünde die 9 für die dreifache Triade, Vollendung, Erfüllung, Anfang und Ende, das Ganze, das irdische Paradies. Numerologisch betrachtet ist die 9 die einzige Zahl, deren Multiplikationsergebnisse immer die Quersumme 9 haben: diese Zahl bleibt immer erhalten und bleibt immer sie selbst. Die dreifache Drei ist eine Erweiterung, die beispielsweise aus der älteren Dreiheit der Musen deren neun machte. Neun Tage und Neun Nächte dauerte die Deukalische Flut, mit der Zeus die erste Menschheit auslöschte und die nur Deukalion und Pyrrha überlebten. Unser Sonnensystem umfasst nach derzeitigem Stand der Wissenschaft neun Planeten, und neun Monate währt beim Menschen die Schwangerschaft. Für die Numerologen ist nach jedem Neuner-Alter ein Zyklus beendet, und ein neuer muss beginnen (Geburt – Wiedergeburt).
In der Esoterik, speziell der Tarotlehre, steht die 9 für den Eremiten, den Einsiedler, oft gezeichnet als einsamer zurückgezogener Mann in der Ödnis, mit einfachem Mantel und Laterne in der Hand: sein Licht zeigt ihm keinen Weg, den er gehen könnte oder wollte, es leuchtet nur für ihn und seine Betrachtungen. Der Eremit hat sich gewissermaßen „ausgeklinkt“ aus dem Weltgeschehen, er sieht nach innen, um Antworten zu finden. Wer nun sein Innerstes mit hektischer Betriebsamkeit, mit Dutzenden von Unternehmungen und mit ebenso vielen Menschen erfüllt, wer sich in diesem Karussell mitdreht, hört die Stimme der Seele nicht und übergeht seine ur-eigensten Bedürfnisse. Damit steht der Eremit auch für die Weisheit, die in der Abgeschiedenheit reift. Manchmal brauchen die Dinge eine Zeit des Reifens – alles hat einen Zeitpunkt, der der richtige ist. Geduld und das Wissen darum sind heute so wichtig wie nie.
Manchmal tritt der Einsiedler als Warner auf: eine Situation anzeigend, die in eine Sackgasse geführt hat, weil ein Mensch nicht mehr in der Lage ist, den Blick nach außen zu richten – also sich in sich selber so verschlossen hat, dass er ein Gefangener ist. In der zeitweiligen Zurückgezogenheit liegen viele Chancen für das Selbst – Heilung, Kraftgewinn, Weisheit, neue Erkenntnisse und das Aktivieren von verborgenem Wissen. Aber es gibt eben auch Gefahren: den Zeitpunkt der Rückkehr verpassen, die Fähigkeit zur Toleranz verlieren, oder sich seinen Ängsten so sehr überlassen, dass sie übermächtig werden.
Amy hat wie die anderen kreativ-zerrissenen, in sich gefangenen Künstler den Zeitpunkt zur Wiedergeburt, zur Rückkunft ins Leben nicht mehr erreicht. RIP.