Das ist doch Keese…
4. Oktober 2011 von Thomas Hartung
Zugegeben: zuerst wollte ich vom Glauben abfallen, dann musste ich es (noch) nicht in anfangs befürchteter Fallhöhe – glücklicherweise. Glauben meint hier den Glauben an deutsches Qualitätsfernsehen. Oder besser: Qualitätsfernsehen aus Deutschland, denn die innovativen Eigenformate lassen sich, wenn überhaupt, gerade noch an zwei Händen herzählen.
Es geht – natürlich – um den eben verliehenen Deutschen Fernsehpreis (nicht um die peinliche dpa-Panne dazu, die oft genug gewürdigt wurde). Der wäre wohl gern das Pendant zu den amerikanischen Emmys. Mit der Nominierungsliste wird das dieses Jahr erstmal (oder wieder) nichts werden, denn das deutsche Fernsehen hat nach Meinung der Jury unter Christoph Keese nicht mehr zu bieten als die RTL-Shows „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ oder „Let’s Dance?“! Die waren zusammen mit dem „Eurovision Song Contest 2011“ (ARD) in der Kategorie „Beste Show“ nominiert. Meine Fassungslosigkeit darüber wurde nur noch davon übertroffen, dass „Goodbye Deutschland – Die Auswanderer“ (VOX) in der Kategorie „Beste Unterhaltung Doku“ (!) um den Preis antreten darf. Konkurriert hat diese hochqualitative Perle der deutschen Fernsehlandschaft mit der K1-Show „Stellungswechsel – Job bekannt, fremdes Land“ (netter Endreim immerhin) und „Der Wettlauf zum Südpol: Deutschland gegen Österreich (ZDF)“.
Jetzt könnte man denken, der Deutsche Fernsehpreis wolle einfach nur die Sendungen mit den höchsten Einschaltquoten auszeichnen. Aber nein, ich zitiere aus den Statuten: „DER DEUTSCHE FERNSEHPREIS wird von ARD, RTL, SAT.1 und ZDF in der gemeinsamen Verpflichtung zur Förderung der Qualität der Fernsehprogramme gestiftet.“ Das erklärt mir jetzt die Auswahl der Nominierten nicht wirklich, es sei denn, die hier angewandte Methode nennt sich paradoxe Intervention. Wenn das so weitergeht, konkurrieren nächstes Jahr noch die „Sexy Sport Clips“ um die Trophäe der besten Sportsendung (diese Kategorie gibt es noch nicht, kann aber noch kommen). Da ist nur wenig tröstlich, dass die ARD die meisten Nominierungen erhalten hat: 15 an der Zahl. Jetzt frage ich mich nur noch, ob Sendungen wie „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ tatsächlich eine realistische Chance hätten oder nur aufgestellt wurden, damit die ARD-Sendungen besser wegkommen. Beides ist nicht wirklich wünschenswert.
Kann man Dschungel liebhaben? Das Verb scheint falsch gewählt. Letztes Jahr wurden wichtige Kategorien wie „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“ gestrichen und die neue Kategorie „Beste Unterhaltungssendung Doku“ eingeführt, um die billigen, reißerischen Doku-Soaps zu ehren. Dieses Jahr ward es noch „besser“, da im Bereich Information keine Sendungen mehr ausgezeichnet werden, sondern lediglich Personen. Hinzu kommt, dass Spartensender wie arte, 3sat und ZDFinfo etc. fast völlig unter den Tisch gekehrt wurden. Allgemeinplätze sind nicht unbedingt mein Ding, aber das Bonmot „…heute sinkt für sie… das Niveau!“ trifft den Sachverhalt durchaus.
Man kann den Trash „Dschungelcamp“ als Sozialstudie sehen: wie funktioniert Gruppendynamik? Man kann den Trash auch als Progression der deutschen Sprache sehen – aber blöde Sprüche gibt‘s auch bei „DSDS“, da kann ja mal wer den Bohlen nominieren. Man kann den Trash aber auch – und das ist meine Perspektive – als bewussten Versuch sehen, pro Sendeminute den IQ des Zuschauers um ca. 1 Punkt (vorübergehend?) sinken zu lassen und ihm wenn nicht ins TV-Nirvana, so doch ins geistige Neandertal zu verhelfen. Die Verdummung besteht in der Ablenkung. Wer Trash verdauen soll, hat keine Kapazitäten mehr, über Fukushima, Bankenkrise, Hartz IV und ähnliche wirklich „wichtige“ (?) Dinge zu reflektieren – geschweige denn etwas dagegen zu tun. Genau das ist das Kalkül: ruhigstellen durch Emotion statt Information; Benjamin lässt ebenso grüßen wie die Frankfurter Schule. Da finde ich den Schluss „Nicht-Information gleich Verdummung“ absolut gerechtfertigt. Wichtige Dinge (Politik, Wirtschaft, Finanzen…) scheinen den gemeinen Deutschen nicht im Geringsten zu interessieren. Warum auch!? Davon hängt ja „nur“ die Zukunft eines jeden Einzelnen und dessen Kinder und Enkel ab!
Einziger Lichtblick: der Dschungel flog, es landete Lena, das deutsche Fräuleinwunder des III. Jahrtausends. Ich kann mich darüber nicht wirklich freuen. Mir ist, also ob Beelzebub gewürdigt wurde, damit man den Teufel nicht salonfähig machen muss.
Und schon wieder einmal genügt der „gefällt mir“ Button nicht. Denn das, was hier beschrieben wird, gefällt mir gar nicht. Das „wie“ schon. Vielen herzlichen Dank an all diese Flachland-Journalisten-Kollegen. Sie haben es geschafft, dass mein Kind, wenn sie sagt, die Mutti ist Journalistin, noch eine längere Rede nachsenden muss. Das sind dann die verzweifelten Versuche, zu erklären, dass es ja auch Schreiberlinge gibt, die es mit Inhalten noch genau nehmen. Super. Füße hoch, das Niveau will durch. Lasst uns Strom sparen. Und dabei hat mir Fernsehen machen einst sooooo viel Freude gemacht …
Das Plakat „Hurra – wir verblöden“ bringt es auf den Punkt. Das Fernsehen leistet vor allem in Gestalt der Privaten vollumfänglich seinen Beitrag. PC Ballerspiele will man verbieten, aber RTL darf auf Sendung bleiben? Ne oder…
Und schon wieder einmal genügt der “gefällt mir” Button nicht. Denn das, was hier beschrieben wird, gefällt mir gar nicht. Das “wie” schon. Vielen herzlichen Dank an all diese Flachland-Journalisten-Kollegen. Sie haben es geschafft, dass mein Kind, wenn sie sagt, die Mutti ist Journalistin, noch eine längere Rede nachsenden muss. Das sind dann die verzweifelten Versuche, zu erklären, dass es ja auch Schreiberlinge gibt, die es mit Inhalten noch genau nehmen. Super. Füße hoch, das Niveau will durch. Lasst uns Strom sparen. Und dabei hat mir Fernsehen machen einst sooooo viel Freude gemacht …
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