Grimme schafft sich ab…
29. Januar 2013 von Thomas Hartung
Das Dschungelcamp (wenn auch die Folge des letzten Jahres, mit Dirk Bach) ist tatsächlich für den Grimmepreis nominiert. Ein Preis, mit dem Fernsehsendungen und -leistungen ausgezeichnet werden, die für die Programmpraxis nach Inhalt und Methode vorbildlich und modellhaft sind und der als institutionalisierte Fernsehkritik gilt. Gehts noch?
Für mich hat sich damit dieser Preis ad absurdum geführt; vielleicht wiederholt ein Preisträger zur Verleihung, was Reich-Ranitzki zur Fernsehpreisverleihung 2008 tat, und lehnt ab. Aber welche weiteren Grausamkeiten offenbart diese Vergabepraxis?
Das ist zum einen ein Schlag ins Gesicht für alle Preisträger der Vergangenheit, die jetzt hoffentlich ebenfalls eine Rückgabe erwägen (denn Dirk Bach – wenns denn um ihn ginge – hätte man auch mit anderen Sendungen ehren können). Falls Adolf Grimme, der jetzt sicher im Grab rotiert, noch lebende Angehörige hat, könnten die – wie bei Facebook vorgeschlagen wurde – durchaus erwägen, nach §189 StGB wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu klagen…
Damit wird zum zweiten ein Format geadelt (und ergo als Benchmark für künftige Formate gesetzt), in dem Dummheit zelebriert und damit als erstrebenswert dargestellt wird: ein paar Promis, die keiner kennt, in einer Gegend, wo keiner hin will, machen Dinge, die keinen Sinn haben, und reden über Themen, die kein Niveau haben. Geistige Erosion in Reinkultur.
Das ist zum dritten eine Kapitulation vor Inhalt/Anspruch und sein Abgleiten in den Begriff der Professionalität (denn den muss man der Show, leider, lassen). Damit reiht sich die Nominierung in eine ungute Folge ein: Nannen-Preis für BILD, Grimme-Preis für Trash, was kommt als nächstes? Goldene Kamera für Katzenberger? Bundesverdienstkreuz für RTL? Literaturnobelpreis für die Scriptschreiber von „Frauentausch“? „Bambi“ für Peter Zwegat? Ein „Spiegel“-Kommentar bringts auf den Punkt:
„Wer am Abend Schaben und Anderes vorgesetzt bekommt, wem in Folge der “Nährwert“ durch begleitende Magazinsendungen eingeimpft wird, wer dann die eigentliche Inhaltslosigkeit der meisten Sendungen auf allen Privatkanälen nicht mehr erfassen kann, bei dem hat die Medizin volle Früchte getragen. Realitätsverweigerung wird durch traumhafte Wunschwelten kompensiert, selbst die letzte Hohlnuss hat die Chance etwas zu werden – reich, nicht intelligent. Klappt es im Dschungel nicht, geht man eben zu Dieter und wird Superstar, oder versucht es als Topmodel bzw. hüpfender Gröhleimer mit bisher unentdeckten Talenten. Wer braucht da noch Schulbildung, chillen und konsumieren ist das Lebensmotto. Sollte es auf diesem Wege einmal klemmen, “Mitten im Leben “, so steht jederzeit Rat und Tat zur Seite : “Verklag mich doch“ einfach, wirst schon sehen!“
Das ist zum vierten eine Entwertung (fast) aller medienethischen Diskurse, die bis dato in der publizistischen Hochschulbildung gelehrt und geführt wurden. Wer erinnert sich noch an die Aufregung, als Big-Brother erstmals gesendet wurde – damals war man nicht sicher, ob eine Grenze überschritten ist. Und jetzt… War also die damalige Diskussion verlogen und scheinheilig, oder wird heute diskutiert, ohne dass dies noch gehört wird?
Und das ist zum fünften – und wichtigsten – die versteckte Propagierung genau jener Neoliberalität, die uns derzeit vorregiert wird. Menschenwürde, Tierschutz, Ehrlichkeit, Bildung, ja sogar Intelligenz sind einfach nur noch leere Worthülsen. Was zählt: sich immer und überall mit allen Mitteln durchzusetzen. Wer Dschungelkönig wird, hat wahrscheinlich sogar das Potenzial zum Bundeskanzler. Ich gebe mein Abi, mein Diplom und meine Promotion zurück, braucht man ja in der Welt von heute nicht mehr… Andererseits, und das fasst ein Kommentar im „Stern“ sehr schön zusammen:
„Im Land des niveaulosen Herumpöbelns, fehlenden Anstands und Respekts, im Land der Analphabeten und des Mittelmaßes, in einem Land, wo man Dieter Bohlen und Heidi Klum für nachahmenswert erachtet und bewundert, in einem Land, wo Jugendliche kaum wissen, wer sie regiert – da ist ein solcher Preis für diesen Dreck eine logische Konsequenz.“
Was kommt als nächstes? Wenn dieses Format wirklich für „modellhaft“ angesehen wird, vielleicht eine Antarktis-Show, oder eine Weltraum-Show – und die Rückkunft der Herausgewählten wird von Red Bull gesponsert, die ja damit und der medialen Ausschlachtung auch schon Erfahrung haben…
Deutschland, mir grauts gerade ein wenig vor dir…
die weltraum-show ist in planung ! kein scherz ! und mein HEUTIGER PUNKT HEISST … das abendland ist abgebrannt …