Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung 2014
31. August 2014 von Thomas Hartung
Dieser ebenso kleine wie feine Exkurs soll dem viel zu ernsten deutschen Publikum die Klein- und Feinheiten teutonischen Humors etwas näher bringen. „Sarkasmus ist die niedrigste Form des Witzes, aber die höchste Form der Intelligenz“, meinte Val McDermid in „Ein Ort für die Ewigkeit“. Na, das kann ja heiter werden… 😉
Arndt Noack ist Kreisvorstand der AfD Dresden.
Das ist ein sachlicher, wertfreier Satz.
*Fiktionsmodus on* (schlimm, das betonen zu müssen)
Arndt Noack – der bestangezogenste Mann der AfD Dresden.
Das ist Ironie (Verstellung, Vortäuschung), die verschiedene Graduierungen zwischen Sagen und Meinen ausdrückt; im Extremfalle gar das Gegenteil dessen, was sie meint. Ihr wohnt eine gewisse Leichtigkeit, Gewaltlosigkeit in der Attitüde inne – was jetzt folgt, wird zunehmend gewaltsamer.
Herr Noack, wohnen Sie auf einer Müllkippe? Ihr Anzug, ihr Auto und ihre Frau sehen so aus.
Das ist eine Beleidigung und damit ein justitiables Ehrdelikt, das mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Strafbar ist sie als Kundgabe von Miss- oder Nichtachtung gegenüber dem Beleidigten oder Dritten, die über bloße Unhöflichkeiten oder Taktlosigkeiten hinausgeht. Der ethische oder soziale Wert des Beleidigten wird geringer dargestellt als er ist.
Arndt Noack trägt gern T-Shirts mit AfD-Logo. Wenigstens das Logo sieht gut aus.
Das ist Hohn, der das Aussehen eines Menschen abschätziger beurteilt als ein Accessoire seiner Kleidung. Hohn kann verschiedene Anteile aufweisen von Verachtung, Lächerlichkeit oder Schadenfreude und wirkt in der sozialen Interaktion oft als Demütigung.
Arndt Noack hat heute einen Anzug an. Er sagt, es sei sein bester. Dann will ich nie die anderen sehen.
Das ist Spott, der einem Menschen bestimmte usuelle Werte zu- oder abspricht; in diesem Falle Billigkeit bzw. Modebewusstsein. Im Gegensatz zum Hohn wird weniger Verachtung ausgedrückt, eher Häme.
Herr Noack, Sie und ihre AfD werden morgen dasselbe anziehen, was Sie auch schon heute anzogen: Spinner, Idioten und Trottel.
Das ist Zynismus, der als potenzierter Spott bewusst und tabulos die Gefühle anderer Personen oder gesellschaftliche Konventionen missachtet, ja deren Verletzung billigend in Kauf nimmt, in diesem Falle alle Parteimitglieder und Interessenten pauschal herabwürdigt – ohne damit freilich neue Konventionen zu schaffen. Der wenig bis gar nichts ernst nehmende Zyniker verletzt vor allem, weil er die vermeintlich verletzenden Umstände ins Bewusstsein heben und damit Spießern und Mitläufern einen Spiegel vorhalten will.
Leider sind wir nicht alle mit Blindheit geschlagen. Arndt Noack hat, wie wir also sehen müssen, heute seinen besten Anzug im Schrank gefunden. Schade, dass er dazu nicht auch sein bestes Gehirn gefunden hat.
Das endlich ist Sarkasmus (altgriechisch „sarkazein“: sich das Maul zerreißen, zerfleischen, verhöhnen), der zum Zeitpunkt des Sprechakts zerstörerisch, ja vernichtend, tödlich wirkt. Sarkasmus kann Elemente von Ironie, Zynismus, Spott usw. beinhalten, die aber nur punktuell wirken sollen – im Gegensatz zum Zynismus, der häufig charakterlich bedingt ist und verallgemeinert. Sarkasmus ist oft Ausdruck von Enttäuschung, Frustration und Verbitterung, die wiederum belegen, dass sarkastische Menschen sich von Normen und Werten innerlich noch nicht verabschiedet haben – im Gegensatz zu Zynikern. Aber selbst der Sarkasmus kann noch gesteigert werden.
Arndt Noack hat also seinen besten Anzug im Schrank gefunden. Schade, dass er dazu nicht auch sein bestes Gehirn gefunden hat. Aber da ist er in guter Gesellschaft. Merkel, Gauck und Tillich suchen auch noch.
Das ist Sardonismus als potenzierter Sarkasmus: im Gegensatz zu den Aspekten von Hohn und Häme wird hier seine grimmige, schmerzvoll-spöttische Seite verallgemeinert, ja verabsolutiert.
Arndt Noack ist Kreisvorstand der AfD Dresden. Einst galt er als bester Mann der Landeshauptstadt, heute nur noch als bestangezogenster. Vor allem seine T-Shirts mit AfD-Logo sind legendär. Keine Frage, das Logo sieht gut aus. Der Mann, der es trägt, dagegen, als wohne er auf einer Müllkippe. Auch Auto und Frau machen nicht den Eindruck, dass sie weit entfernt davon untergekommen sind. Nur selten noch sieht man Noack im Anzug. Wenn er dann sagt, das sei sein bester, will ich nie die anderen sehen. Aber einerlei, ob T-Shirt oder grobes Stöffchen: Arndt Noack und seine AfD werden morgen dasselbe anziehen, was beide auch schon heute anzogen: Spinner, Idioten und Trottel. Ein paar davon hatten ihn zur IceBucketChallenge nominiert, diesem geheimen IQ-Test der NSA. Noack spielte nicht mit. Das würde seine T-Shirts ruinieren und die Anzüge erst recht, sagte er dem ZDF. Im Anzug, natürlich. Offenbar dem besten, den er im Schrank gefunden hatte. Schade, dass er dazu nicht auch sein bestes Gehirn fand. Aber da ist er in guter Gesellschaft. Merkel, Gauck und Tillich suchen auch noch.
Das nun ist Satire, eine Spottdichtung bzw. ein Spotttext, der Personen, Ereignisse, Zustände oder Missstände in sprachlich überspitzter Form angeprangert. Satire bedient sich häufig der Übertreibung, kontrastiert Widersprüche und Wertvorstellungen in übertriebener Weise, verzerrt Sachverhalte, vergleicht sie höhnisch mit einem vorgestellten Idealzustand und gibt ihren Gegenstand der Lächerlichkeit preis. Zu ihren Stilmitteln gehören Parodie, Travestie und Persiflage, zu ihren Tonalitäten Ironie, Spott, Sarkasmus, ja manchmal sogar Pathos.
*Fiktionsmodus off*
Dieses je nach Perspektive literaturtheoretische bzw. stilistische Wissen hatten und haben alle Deutschlehrer, die in der DDR studierten. Und das Wissen um Ironie, Zynismus und Sarkasmus wurde mindestens bis 1990 von diesen Deutschlehrern an satirischen Tucholsky-Texten im Literaturunterricht der Oberstufe vermittelt, kann also als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden.
Dass dieses Wissen offenbar ausstirbt, befremdet und ärgert mich natürlich. Harald Martenstein geißelte das in einer seiner köstlichen Kolumnen mit dem bemerkenswert deutlichen Vorwurf:
Die Vorstellung, dass vermutlich zumeist schwanenweiße Jungs und Mädels in Deutschland einen rabenschwarzen Künstler wegen Rassismus an den Pranger stellen, nur weil dieser schwarze Bengel sich die Frechheit erlaubt, so etwas ihren deutschen Quadratschädel Überforderndes wie Satire und Sarkasmus zum Einsatz zu bringen, hat etwas Gespenstisches, oder? Das Cover kann man missglückt finden, wer es rassistisch findet, hat vor allem ein Bildungsproblem.
Und eben dies befremdet mich noch viel mehr: dass sich Menschen offenbar aus dieser Unkenntnis heraus anmaßen zu bestimmen, für bzw. gegen wen sich – auch problematische – sprachliche Mittel richten dürfen. Aber wer „dazu gehören“ will, muss sich auch kommunikativen Unannehmlichkeiten aussetzen. Und wer dazu gehören soll, erst recht. Wenn Dummheit dort anfängt, wo Sarkasmus nicht mehr verstanden wird, dann hört Demokratie auf, wo sie nicht mehr alle betreffen soll.
Eine „f e i n e“ Lektion sieht anders aus. Dass der Titel „Scherz, Satire, Ironie …“ nicht von Tucholsky stammt, ist demnach nicht im Deutschunterricht der Schulen der DDR verhandelt worden….?
Und erneut haben Sie mich nicht ansatzweise verstanden. Der Titel ist dem gleichnamigen Grabbe-Stück entnommen, das in der DDR zwar Bestandteil des Studienkanons dür Deutschlehrer war, nicht aber des Lehrplans. Und im Text stoht doch unmissverständlich, dass stilistische Phänomene wie Ironie, Zynismus und Sarkasmus an satirischen Tucholsky-Texten im Literaturunterricht behandelt wurden – aber heute in keinerlei Kontext mehr als solcher erkannt geschweige verstanden werden. Wo ist ihr Problem?