ASA-Editorial 16-2017
12. Mai 2017 von Thomas Hartung
Liebe Mitglieder, Förderer und Freunde der AfD Sachsen, liebe Leser;
wir müssen über die Rolle von Musikern in aktueller Politik nachdenken. Als der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Diskussionsrunde mit Schülern in Wien wörtlich sagte: „Wir werden noch alle Frauen bitten müssen, Kopftuch zu tragen aus Solidarität mit jenen, die es aus religiösen Gründen tragen“, heizte Volks-Rocksänger Andreas Gabalier die Stimmung mit einem Facebook-Post an. Darin verspottet er den Bundespräsidenten mit einem Foto, auf dem der Sänger mit einem Kopftuch zu sehen ist. „Aus Solidarität unseren Frauen gegenüber“, wie er schreibt. Zu dem Schnapsglas, das er auf dem Bild in der Hand hält, heißt es: „In weiser Voraussicht auf das noch folgende Alkoholverbot aus Solidarität jenen Religionen gegenüber in denen man keinen Alkohol trinkt, habe ich heute schon einmal damit begonnen mein Verdauungsschnapserl nach meinem geliebten Schweinsbraten gegen ein Stamperl steirisches Kernöl zu ersetzen!“ Für seinen Beitrag kassierte Gabalier bis 3. Mai 80.000 Likes – dazu 6.100 meist wohlwollende Kommentare.
Ähnlich Xavier Naidoo: der Tourauftakt der „Söhne Mannheims“ mit ihrem Leadsänger sorgte für gemischte Reaktionen – vor allem das Lied „Marionetten“. Es rief gar Gesprächsstoff hervor, weil darin Politiker massiv beschimpft würden – die Stadt Mannheim spricht gar von „antistaatlichen Aussagen“. Explizit genannt: der Refrain. Dort heißt es: „Wie lange wollt ihr noch Marionetten sein? Seht ihr nicht, ihr seid nur Steigbügelhalter. Merkt ihr nicht, ihr steht bald ganz allein. Für eure Puppenspieler seid ihr nur Sachverwalter.“ Die drei verschiedenen Videofassungen bei YouTube verzeichneten bis 3. Mai über 300.000 Zugriffe.
Aber: laut der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung ist etwa der Begriff „Marionetten“ ein Sprachbild aus dem Repertoire des klassischen Antisemitismus. Der „Stern“ verstieg sich zur arroganten Bezeichnung „Sonnenbank-Soul aus dem Ein-Euro-Shop“, die FAZ zu „Reichsbürger-Hymne“, die BZ textete „Er benutzt radiofreundliche Popmusik, um fundamentalistische und rechtsextremistische Positionen mitten im deutschen Mainstream zu verankern“. Für den SPIEGEL ist das „umstürzlerische, staatsfeindliche Rhetorik von Pegida und der AfD-Rechten“ eines Sängers im „Wutbürger-Morast“. Und in der ZEIT stand tatsächlich dieser Satz: „Für die Zukunft wünsche ich dir allen Boykott, den du bekommen kannst.“
Jan Böhmermanns parodiert die „Hurensöhne Mannheims“, mit denen „jeden Tag Montagsdemo in deinem CD-Player“ sei, und schlägt den neuen Naidoo-Song für den „Lutz-Bachmann-Preis für nicht-entartete Kunst“ vor. Der Gipfel: „Das ist plumper und gewaltverherrlichender Pegida-Sprech“, sagt Claudia Roth. Prompt fordert in Rosenheim ein Bündnis namens „Kein Hass auf Rosenheims Bühnen“ schon seit Beginn des Jahres, die Söhne Mannheims aus dem örtlichen Sommerfestival im Mangfallpark wieder auszuladen. Naidoo sei ein „Hassprediger“, sagt Bündnissprecher Johannes Müller. Da können wir auch gleich die Spielerlaubnis der DDR wieder einführen.
Apropos DDR: dritter im Bunde ist Werner Karma, der begnadete Texter u.a. von Electra, City und natürlich Silly mit Tamara Danz. Die sang, was nicht gesagt werden durfte – mit Worten, die es auf ihre Weise dennoch taten. Von Karma stammen so legendäre Silly-Zeilen wie „Alles wird besser, aber nichts wird gut“ oder „Wo wir sind, ist vorn. Und wenn wir hinten sind, ist hinten vorn“. Er wolle nicht mehr, ließ er, leider, vor ein paar Tagen verlauten, denn heute gäbe es keinen Bedarf mehr an gesungenen Geschichten, sondern nur noch „gereimtes Hörensagen“: „Die singen so öden Mist, sondern nur Befindlichkeitsprosa ab. Die meisten kommen leider aus Eitelkeit gar nicht an den Punkt, an dem es wehtut. ‚Authentisch‘ wird heute leider als ‚gut‘ missverstanden. Es bedeutet aber nur, dass sich etwas genau abbildet. Dass halt nicht mehr herauskommt, als jemand hineinzugeben vermag. Auf Dauer wird das Publikum genügsam, das denkt eben, es geht nicht besser.“
Ein Beispiel, wie Karmas Metaphern noch nach Jahrzehnten wirken? „Und die Märchen übers Reisen / werden mit den Jahren mehr“ – wegen dieser Zeile wurde eine Silly-LP unter dem Titel „Zwischen unbefahrenen Gleisen“ 1984 mit einem Veröffentlichungsverbot belegt. Ein Jahr später erschien sie als „Liebeswalzer“ bei Amiga – mit dem Song der „Alten Männer“, dessen Ende lautet:
„Die alten Männer tanzen nicht mehr / Doch in den Seelen schweben sie sehr
Wenn‘s an der Zeit ist, packen sie aus / Dann tanzen alle nach Johann Strauß“
Naidoo und Gabalier beweisen, dass noch nicht alles verloren ist und der altersweise Karma hoffentlich etwas zu schwarz sieht. Denn: wir brauchen gute deutschsprachige Texte heute mehr denn je, meint
Mit freundlichen Grüßen, Ihr
Dr. Thomas Hartung
Stellv. Landesvorsitzender