ASA-Editorial 22-2017
27. Juni 2017 von Thomas Hartung
Liebe Mitglieder, Förderer und Freunde der AfD Sachsen, liebe Leser;
wir sollten mal wieder über Meinungsfreiheit nachdenken. Anlass ist ein in der bundesrepublikanischen Geschichte nahezu einmaliger Vorgang: das Votum einer seit 15 Jahren tätigen unabhängigen Jury im Dienste des NDR-Labels „Sachbücher des Monats“ wird von taz bis FAZ als Votum für einen rechtsextremen Autor kritisiert. Um wen geht es? Um Rolf-Peter Sieferle, der bis dato als Professor an der Eidgenössischen Hochschule St. Gallen nur einem interessierten Kreis bekannt war und sich im vergangenen Herbst das Leben genommen hatte, und sein in Götz Kubitscheks Verlag erschienenes Buch „Finis Germania“. Bei der Empfehlung der Sachbücher für den Monat Juni hatte es der Spiegel-Redakteur Johannes Saltzwedel gewagt, sein Stimmrecht zu nutzen, um zu fordern, „ein Buch zu lesen, in dem die meisten heiligen Kühe geschlachtet werden, die heute herumlaufen“, schrieb Karlheinz Weißmann.
Er habe, erklärte Saltzwedel laut „Junger Freiheit“, „bewusst ein sehr provokantes Buch der Geschichts- und Gegenwartsdeutung zur Diskussion bringen wollen. Sieferles Aufzeichnungen sind die eines final Erbitterten, gewollt riskant formuliert in aphoristischer Zuspitzung. Man möchte über jeden Satz mit dem Autor diskutieren, so dicht und wütend schreibt er.“ Er warf den anderen Jury-Mitgliedern Illiberalität und zensierende „Konsenswärme“ vor und begründete seine Empfehlung als „Votum gegen einen Zeitgeist, der die Preisgabe der europäischen und der deutschen Kultur zugunsten eines diffusen Weltbürgertums propagiert“.
Was erhob sich für ein Geschrei! Der NDR kündigte die Zusammenarbeit mit der Jury auf: „Die ‚Sachbücher des Monats‘ werden von NDR Kultur bis auf weiteres nicht mehr veröffentlicht.“ Man schere sich nicht mehr um einen klugen Kopf, sondern wolle nur noch gewinnen im Wettlauf um den ersten Preis politischer Korrektheit, wütet Weißmann. Dabei war Sieferle von der „Süddeutschen Zeitung“ posthum, im Oktober 2016, als „unerschrockener, immer rationaler Denker“ und von der Universität St. Gallen als „universaler Denker und sympathischer Kollege“ gelobt worden. Das beanstandete Werk aus dem Giftschrank Antaois erhielt durch die medialen Wellen, die der Fall geschlagen hatte, eine solche Aufmerksamkeit, dass es nun auf Platz 1 der Amazon-Bestsellerliste rangiert.
Was sagt uns das? Leser reagieren anders auf Belesene, klar. Aber auch kräftige Verrisse („ekelhafte wie stellenweise unverständliche Endzeitdiagnostik, die nicht weiter erwähnenswert wäre …“) können Leser ja mit Erkenntnisgewinn lesen. Vielleicht ist zumindest ein gutes Zeichen, dass ungefähr erstmals seit Frank Schirrmachers Tod wieder so etwas wie eine Feuilleton-Debatte zu entstehen schien. Eine Debatte, die am Wochenende erst Michael Klonovsky mit einer vernichtenden SPIEGEL-Kritik befeuerte. Sieferle zöge – zu Recht! – eine heilsgeschichtliche Parallele zwischen der Stigmatisierung der Juden als Gottesmörder und der Stigmatisierung der Deutschen als Judenmörder: Zarte Gemüter mögen solche Vergleiche erschrecken, denn „Du sollst nicht vergleichen!, lautet bekanntlich das Erste Gebot der neudeutschen Zivilreligion“.
Genau einen solchen Vergleich musste ich diese Woche ebenfalls ziehen. „Wenn NDR-Moderatorin Anja Reschke auf der Jahrestagung des Netzwerks Recherche ablehnt, sich mit ‚Pöblern‘ auseinanderzusetzen, misst sie schon mit zweierlei Maß“, erklärte ich. „Ich möchte gern erleben, dass sich der NDR nicht mit SPD-Politikern auseinandersetzt wie Ralf Stegner oder Yasmin Fahimi (‚Schande für Deutschland‘),Siegmar Gabriel (‚Sammelbecken für rechtsradikale Hetzer‘ / ‚Pack‘) oder Thomas Oppermann (‚hochgefährliche Vulgär-Rassisten‘).Aber auch Politiker von der CDU wie Wolfgang Schäuble (‚Sumpfbacken‘), MdB Albert Stegemann (‚Scheiss Nazis‘) oder von den Grünen wie Robert Habeck (‚Rassisten im Schafspelz‘) dürften dann kein Podium bekommen – von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck (‚Dunkeldeutschland‘) oder sog. Satirikern wie Christian Ehring (‚Nazi-Schlampe‘) ganz zu schweigen.“
Einerseits falsche Deutungen vorschreiben, andererseits alternative Deutungen als falsch denunzieren – das ist kein guter Weg, meint
Mit freundlichen Grüßen, Ihr
Dr. Thomas Hartung
Stellv. Landesvorsitzender