Wenn Briefe den Absender karikieren…
5. September 2017 von Thomas Hartung
Zum Monatsbeginn machten in der Presse zwei Briefe an zwei Kinder die Runde, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Den einen, fiktiven, an Fraukes Sohn Ferdinand dachte sich im Namen der Mutter (!!!) ein FAZ-Redakteur aus, der nicht den Arsch in der Hose hatte, seinen Namen preiszugeben. Den anderen, realen an das afghanische Flüchtlingsmädchen Modina schrieb Eva Quistorp, 72jährige, ledige, kinderlose Grünen-Mitgründerin, und publizierte ihn in der WELT (die schon mehrere Texte zu diesem Vorzeigekind im Portfolio hat). In der Zusammenschau beider Texte ergibt sich ein verheerendes Bild unserer bundesdeutschen Demokratie, die sich offenbar darin gefällt, von moralisierenden, gesinnungsethischen Traumtänzern bespaßt, nicht aber, realpolitisch angemessen regiert zu werden. Das ASA-Editorial 31 ist übrigens eine Kurzfassung dieses Textes, daher teile ich es diese Woche nicht.
„Lieber Ferdinand“ beginnt eine gehässige, perfide, ja bösartige Groteske, die der anonyme Schreiberling sicher als erlaubte, spaßig-unterhaltsame Ironie oder gar Satire verteidigen mag. Sie entpuppt sich aber als infame, subtile Hetze, die lächerlich macht, wofür die Partei mit ihrem plakativem Motiv einsteht: für eine gute Zukunft der Kinder, auch dafür, dass Deutschland Kinder braucht und Kinder willkommen zu heißen sind. Das Pamphlet im Wortlaut:
„…ist das nicht ein schönes Foto von uns beiden? So liebenswert, so friedlich kann es in unserem wunderbaren Deutschland sein, wenn man einfach nur unter sich ist. Und weil ich möchte, dass das so bleibt, habe ich dieses schöne Foto ganz groß auf ein schönes Plakat unserer schönen Partei drucken lassen. Tiere und Kinder, weißt Du, kommen nämlich immer gut an, sogar bei unseren Wählern, zumindest solange sie keine dunkle Haut haben. Also die Kinder, die Tiere dürfen das schon.
Es gibt aber, und da, lieber Ferdinand, will ich ganz ehrlich zu Dir sein, noch einen zweiten Grund dafür, dass ich mich auf meinem Wahlplakat mit Dir zeige: Von den anderen aus meiner Partei wollte sich keiner mit mir fotografieren lassen. Politik ist nicht immer ganz einfach zu verstehen, auch nicht für Erwachsene – aber ein wenig hast Du vielleicht schon was kapiert. Wie Du, als ich Dich den anderen vorstellte, dem Gauland aufs Jackett gespuckt hat, das hat mir jedenfalls gut gefallen.
Auf unserem Foto schläfst Du so süß, lieber Ferdinand. Und wenn Du Deine Augen öffnest, dann erkennst Du sofort, wie bunt und vielfältig unsere Welt ist – und dass man dagegen natürlich was tun muss. Mehr Farben als Schwarz-Rot-Gold brauchen wir nämlich nicht. Denn weißt Du: Diese ganzen Migranten haben immer ganz viele Kinder, die Dir den Brei wegfressen und Dich vom Töpfchen verdrängen wollen. Du und Deine acht Halbgeschwister, lieber Ferdinand, Ihr braucht schließlich schon genug Platz. Und um diesen Platz müssen wir kämpfen, Ferdinand, und damit Du selbst mitkämpfen kannst, habe ich Dir schon mal eine schöne Wasserpistole gekauft. Die Steinschleuder kriegst Du später.
Und falls Dir, wenn Du eines Tages groß bist, dieser Brief nicht gefällt und Du sauer auf mich bist, dann sollst Du wissen: Das ist alles von mir überhaupt nicht so gemeint gewesen und völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Deine Mutter Dr. Frauke Petry“
Pseudorassistisch angehauchte Küchenpsychologie, gemixt mit fabuliertem Vorstandsbashing, dazu eine Prise unterstellter Sozialdarwinismus, garniert mit einer biblischen Verteidigungsmetapher, angerichtet auf dem Relativierungsteller – zugegeben: das ist ein unterhaltsames, kabarettistisches Kabinettstückchen, das man in einer Wochenendausgabe als solches durchgehen lassen könnte… wäre nicht Wahlkampf und würden sich nicht beide Frankfurter Blätter in ihrer Einseitigkeit überbieten. Solider Journalismus, wie er auch bei anderen Themen nötig wäre, ist das nicht. Und dann wundern sich die Blätter, dass sie immer mehr Leser fluchtartig verlassen, und versuchen, diese Flucht allein auf das Internet zu schieben – obwohl gerade in diesem speziellen Fall in derselben FAS-Ausgabe, zwei Seiten zuvor, die Redaktion ihren Lesern ebenfalls eine Anti-AfD-Hetze vorsetzte. Der Beitrag von (diesmal nicht anonym) Jan Grossarth stellt die AfD als „Empörungsjunkies“ hin, die „einen Volkssport daraus gemacht [haben], aus der Anonymität des Internets auf alles zu schießen, was nicht in ihr kleinkariertes Weltbild passt.“ Als Beispiele werden Sarrazin (nanu, ich dachte, der sei SPD-Mitglied) und natürlich Gauland genannt.
Mehrfache Offenbarung
„Liebe Modina“ beginnt dagegen der Text an ein afghanisches Flüchtlingskind, um das sich die Autorin seit 2015 intensiv gekümmert, sie „ermutigt und bestärkt“ hatte. Das Mädchen ist in Berlin eingeschult worden; ihr 24jähriger Vater möchte den Umgang mit der alten Dame einschränken. Scheinbar tief gekränkt schrieb sie diesen Brief an ihren Schützling, der eine mehrfache Offenbarung ist, über 100 Kommentare nach sich zog und zunächst ungekürzt wiedergegeben werden soll.
„…ich freue mich so, dass du nun Anfang September in Berlin in die Schule kommst und hoffentlich nette Mitschüler und Lehrerinnen hast, von denen du so viel lernen kannst, wie du in den letzten zwei Jahren von und mit mir gelernt hast. Die kleine Schultüte, die ich dir zu deinem 6. Geburtstag geschenkt habe, fandest du ein bisschen klein. Nun ja.
Ich habe dir Buntstifte zum Malen und Schreiben, einen Radiergummi, einen lustigen Anspitzer, glitzernde Herzchen, Gummibärchen, die ihr alle so liebt, und die grimmschen Märchen hineingetan, die ich dir viele Abende und Nächte, als du bei mir geschlafen hast, vorgelesen habe. Immer habe ich mich gefreut, dass du nie, wie die anderen arabischen Kinder, mich bei den Gummibärchen gefragt hast, ob die auch „halal“ sind.
Du bist auch sonst gerne großzügig und lebensfroh und willst dich durch strenge Kleider oder Sittenregeln nicht einengen lassen. Auch wenn du meintest, dass du, wenn du groß bist, ein Kopftuch anziehen würdest, aber mit Farben. Dass dein Vater dich früh verheiraten will, wie mir Ali zu meinem Erschrecken gesagt hat, der mit euch aus Istanbul über Serbien nach Berlin geflohen ist, hat er dir wohl noch nicht gesagt.
Hat er dich denn in den letzten Monaten geschlagen? Leider konnte ich nicht viel dagegen machen, liebe Modina. Denn die vom Kinderschutzbund, die eine Afghanin im Heim angerufen hat, konnten dich ja nicht allein fragen, und du hättest auch, wie dir dein Vater eingebläut hat, das niemals vor Fremden zugegeben.
Ich aber war keine Fremde für dich. Ich war weder der Ersatz für deine Mutter, die du bei einem Verkehrsunfall im Iran verloren hast, noch für deine Oma, die noch im Iran mit vielen Verwandten lebt. Irgendwie war ich immer nur Eva, und du hast monatelang gesagt, dass ich sieben Jahre alt sei, denn älter als dein Vater durfte ich nicht sein, der erst 21 war, als ihr in Berlin ankamt.
Mit deinem Vater hast du so gern geturnt wie mit mir, und am liebsten hast du zwischen uns beiden gehampelt und dich tragen und schwingen lassen. Es tut mir leid, dass ich dir nie erklären konnte, warum ich nicht zu euch ins Heim ziehen konnte, was du dir, als du kleiner warst, gewünscht hast. Noch weniger kann ich dir klarmachen, warum dein Vater nicht mehr will, dass du mich besuchst und du nicht mehr mit mir in Ferien fahren darfst, wie letzten Sommer und Silvester.
Wir können nicht einmal mehr auf dem Spielplatz oder im Grunewald zusammen spielen oder in ein Konzert oder zum Kindertanz gehen. Dein Papa hat behauptet, ich würde dir alles erlauben. Hast du ihm das ahnungslos gesagt? Ich habe dir doch im Unterschied zu ihm nicht alles erlaubt! Schon gar nicht mit dem Handy zu spielen, wo du dann Autorennen, Superman oder sogar Blondinen mit dickem Busen gucken kannst, die viele Afghanen auf ihrem Handy haben.
Du hast bei mir deine Schrei-, Wein- und Tobsuchtsanfälle, die du manchmal hattest, nicht ausleben dürfen. Ich habe dich abgelenkt, dich getröstet, dich die Treppen hochgetragen, dich oft auf den Arm genommen, damit du dich behütet fühlst und weißt, dass ich dich lieb habe. Du hast bei mir Gitarre und Flöte und Xylofon spielen üben dürfen und mit mir die ersten Schlaf- und Sommerlieder gesungen.
Dein Vater hat wohl gemerkt, dass du so viel schneller und besser Deutsch gelernt hast, als er in der Schule und mit seinem Handy und den Büchern. Doch er hat mein Angebot, jede Woche mit ihm zu üben, nie angenommen. Dein Papa scheint Angst zu haben, dass du zu klug und willensstark wirst und ihn nicht mehr für den Größten überhaupt hältst und ihm gehorchst. Verstehst du das?
Du liebst natürlich deinen Vater, wie jedes Kind, vor allem, wenn du immer mit ihm allein wohnst. Er ist mir dir über die Berge und durch die Tomatenfelder geflohen, hat dich dabei immer auf den Schultern getragen und hat sich mit dir versteckt. Damals hatte er dir die Haare kurz geschnitten, damit du wie ein Junge aussiehst und geschützter bist.
Ja, ich glaube, dein Vater sieht mich als Konkurrenz und ist eifersüchtig auf mich. Er will wohl seinen afghanischen Freunden zeigen, dass er das Sagen hat und eine ältere deutsche alleinstehende Frau nicht so wichtig für dich sein darf.
Vielleicht wirst du das später verstehen, wenn du einige Jahre in der Schule warst und wenn ihr hoffentlich etwas über die Rechte der Mädchen und Frauen in Deutschland lernt, dass Väter, Onkel und die Großfamilie nicht mehr alles entscheiden dürfen in Deutschland, nicht, wen du heiratest und wann, nicht ob du einen deutschen Freund hast oder wie du die Haare trägst, welchen Beruf du lernen willst, in welche Moschee du gehst oder wie du betest.
Wir haben so viel zusammen erlebt, und ich freue mich, dass du dich an einiges erinnern kannst. Irgendwann habe ich dir eine Karte von Deutschland gezeigt, wo wir überall schon zusammen waren: in Hamburg, Lübeck, Stettin und Templin. Du hast in der Templiner Kirche mit euren Puppen getanzt, als der Chor so schön gesungen hat.
Dort hast du auch das erste Mal die Krippe mit dem Jesuskind und Maria kennen gelernt, bist sogar auf den Kirchturm hochgestiegen. „Das habe ich geschafft“, sagst du gern zu mir, da ich das immer sagte, als wir die ersten Treppen zusammen stiegen und ich dich getragen habe. Dabei hast du die Zahlen gelernt von eins bis 30.
Ich hoffe, du lernst gut lesen, schreiben und rechnen. Ich würde dir so gern dabei helfen und auch sehen, dass du wirklich schwimmen und Fahrrad fahren lernst, was dein Papa anscheinend nicht richtig mit dir übt. Du willst gern alles gleich können. Aber nicht alles ist so leicht wie Seilhüpfen. Du musst üben, üben, üben!
Hoffentlich lernst du in der Schule auch Geduld. Deine ungestüme, wilde Art hat mir immer gefallen, aber auch, wie du dich an mich geschmiegt hast und wir sangen: „Der Mond ist aufgegangen“. Nie werde ich vergessen, wie wir auf der Terrasse bei Kerzenschein saßen und du ein iranisches Lied vorgesungen hast, es war traurig und schön zugleich.
Ich hoffe, dass du eine gute Schülerin wirst, vielleicht Polizistin wirst, wie du mir bei der afghanischen Trauerfeier für deinen Opa, als wir Frauen in einem Extrazimmer sitzen mussten, gesagt hast. Du wirst in deinem Mädchen- und Frauenleben noch lernen, dass leider viele Männer Angst vor klugen und starken Frauen haben und sie deswegen oft schlagen, ihnen weniger erlauben als den Jungen und das mit dem Koran begründen. Ich hoffe, du lässt dich nicht unterkriegen, obwohl du manchmal so traurig aussiehst.
Ich bin so stolz auf dich, wie du bei mir gutes Hochdeutsch und singen, malen, deinen und meinen Namen schreiben gelernt hast, mit mir ins Museum gegangen bist und auf viele Spielplätze, teilen gelernt hast und helfen. Leider konnte ich dich nicht mehr in die neue Moschee meiner Freundin Seyran Ates mitnehmen. Das hätte dir gefallen.
Dir, deinem Vater und seinen Freunden würde diese Moschee guttun, damit sie vom Koran nicht nur wissen: kein Schweinefleisch, kein Alkohol, die Frauen unter das strenge Kopftuch und den Ramadan einhalten strikt ohne jede Rücksicht auf die Moderne und die demokratische Welt, in der sie jetzt ein gutes Leben suchen.
Du weißt, dass die Kinder in der Kita oder Schule auch manchmal dumme Sachen sagen, auf Kinder schimpfen, die Schweinefleisch essen, nur um andere zu ärgern und sich wichtig zu finden. Ich hoffe, du plapperst nicht alles auf dem Schulhof nach und wirst nie das Wort „Jude“ als Schimpfwort gebrauchen.
Ich wünsche mir, dass du dich gegen Gewalt und Dummheit einsetzt und eine Vermittlerin wirst, dich dabei innerlich gestärkt fühlst von mir, die du manchmal „Eva-Maria“ genannt hast. Ich tröste mich damit, dass du mich nicht vergisst und groß wirst wie Dornröschen oder Schneewittchen.
„Erinnerst du dich?“ das hast du mich neulich schon gefragt, denn wir haben ein gemeinsames Gedächtnis. An deinem sechsten Geburtstag sagtest du zu deinem Vater: „Papa, ich will auch mal bescheiden“. Ich korrigierte dich, und du sagtest dann: „Ich will auch mal entscheiden“ und bautest dich vor ihm auf. Doch selbst am Geburtstag war dein Vater nicht zu erweichen. Er wollte zeigen, dass er sich gegen mich durchsetzt, verfinsterte sein Gesicht und versuchte wie oft, dich damit einzuschüchtern.
Liebe Modina, ich hoffe, du traust dich trotzdem öfter zu sagen, dass du entscheidest. Und zwar Dinge, die für dich und deine Zukunft wichtig sind, nicht nur, ob du ein Eis essen oder Handyfilme gucken darfst. Die Erinnerungen an alles Schöne, das wir zusammen erlebt haben, bleiben hoffentlich bei dir. Lass sie dir nicht ausreden.“
Zwischen Naivität und Überheblichkeit
Erste Offenbarung: hier spricht grenzenlose Naivität. Die wenigsten Kinder werden sich für das „Leben in Deutschland“ entgegen der Wünsche ihrer Eltern und Familienmitglieder entscheiden. Die „Werte“ unserer „offenen und toleranten“ Gesellschaft sind lediglich die Antithese zu den Werten der islamisch-fundamentalistischen Stammesgesellschaft des mittleren Ostens. Um dagegen anzukommen, bräuchte man zuerst einmal eine eigene definierte Identität. Möglich, dass sich auch Modina davon früher oder später eher abgestoßen fühlt.
Zweite Offenbarung: manche Menschen haben ihren Helferkomplex nicht unter Kontrolle und dürsten nach Bestätigung und Dankbarkeit für ihr Engagement – und sind verstimmt, wenn das von ihnen erwartete Maß an Wertschätzung ausbleibt. Aber selbst wenn die Autorin noch so viel Zeit und materielle Güter zu Verfügung stellt: eine familiäre Bindung kann das nicht ersetzen. Auch wenn sie vielleicht aus ihrer Sicht die Liebe des Kindes zum Vater (und Erziehungsberechtigten!) nicht nachvollziehen kann, nur weil der auch in der Fremde an seiner Kultur und Lebensweise festhält. Er wird, kaum im Westen angekommen, nicht alles für besser halten als in seiner Heimat, und daher kaum seine Identität aufgeben; das ist das große Integrationsproblem, das übrigens den Begriff der „bunten Vielfalt“ ad absurdum führt: da ist es nun bunt und auch wieder nicht recht.
Denn: während die Autorin davon ausgeht, dass in Deutschland nur die Regeln herrschen, die sie seit ihrer Kindheit kennt und für die einzig richtigen hält, denkt genau das der Vater des Mädchens aber auch. Die Ankömmlinge wollen ihre Tradition, Kultur, Sprache und Religion nicht nur behalten, sondern auch leben und an ihre Kinder weitergeben. Unsere Kultur und Denkweise steht diesem Weltbild vollkommen konträr gegenüber. Damit können und wollen sich diese Menschen nicht abfinden geschweige identifizieren. Das sollte jedem Politiker, jedem Idealisten zumal, so langsam klar werden. Was wir hier betreiben, ist eine Förderung paralleler Gesellschaften – was in machiavellistischem Sinne vielleicht auch so gewünscht sein könnte.
Dritte Offenbarung: hier enttarnt sich die Selbstüberheblichkeit, dass die Ankommenden, angelockt von überhöhten Erwartungen an sich und die aufnehmende Gesellschaft, sich und ihre Kinder aus ihrer Kultur herausreißen und entwurzeln lassen, die sich aber eben nicht in einigen Äußerlichkeiten wie Musik, Essen, Kleidung erschöpft. Im Gegenteil: wir, die wir stückchenweise unsere Kultur aufgeben, werden selbst zu Entwurzelten. Warum schreibt Quistorp eigentlich nicht an den Vater, der, in wehrfähigem Alter nicht in seiner Armee oder in seiner Polizei für die Sicherheit in seinem Land kämpft und stattdessen unsere Soldaten für sich kämpfen und ihr Leben lassen lässt?
Und vorausgesetzt, dass die Deutschkenntnisse des Vaters überhaupt zum Lesen des Briefes ausreichen – wird er über die Zeilen nachdenken? Ich kann mir gut vorstellen, dass auch den meisten deutschen Vätern solche Einmischung zu viel wäre. Vielleicht will er irgendwann tatsächlich zurückkehren und sieht durch die Integration westlicher Werte eine Chancenminderung für seine Tochter. Unter dem Deckmantel hoher Fürsorge und höchster Moral scheint nicht das Kindswohl an erster Stelle zu stehen, sondern die egoistischen Ziele und die Befriedigung der urgrünen Nanny. Zusätzlich finde ich es eine Unterstellung, dass er sein Kind schlägt und das Schweigen des Kindes nur negativ interpretiert werden kann. Der Vater möchte sein Kind vielleicht einfach nur schützen (siehe auch Haare schneiden)? Ist jemand wirklich so naiv anzunehmen, besser und stärker zu sein als die Gene, die Herkunft, die Erziehung, die Mentalität, der Glaube und die vermeintliche Ehre der Neubürger? Mit ein paar Integrationsstunden können keine Jahrhunderte übersprungen werden.
Es gibt übrigens auch ausreichend Kinder von „länger hier lebenden“, die sozial benachteiligt sind und Unterstützung bräuchten. Diese werden ebenfalls in eine Welt geboren, die Ihnen nur begrenzte Möglichkeiten gibt und eingeschränkten Zugang zu Bildung, Kultur, Sport: weil ihre Eltern es nicht besser wissen und nur ihre eigene Welt kennen. Es ist natürlich deutlich schwieriger, diese auszumachen und ihnen zu helfen. Vermutlich auch deutlich weniger „rewarding“, die Welt gerettet zu haben. Soll uns das zeigen, wie toll muslimisch sozialisierte Mädchen sind, damit wir noch mehr aufnehmen? Oder soll uns das sagen, dass man die Kinder besser von den Vätern trennt?
Dieser vor Selbstmitleid triefende Brief einer Frau, die keinen Selbstschutz mehr gelernt hat und sich familienfremd trotzdem ungefragt ins Leben anderer drängt, zeigt deutlich die Gesinnungsethik jener, die sich über die realen Folgen ihres „ehrenwerten Verhaltens“ keinerlei Gedanken machen. Im Bemühen, eine andere, bessere Gesellschaft zu erzeugen, hat sie nichts gelernt: die eine Zerstörung wird durch die nächste, wesentlich nachhaltigere ersetzt. Aus Bismarcks Kulturkampf wurde der Glaube an die Macht des Gutzuredens. Toleranz der Intoleranz gegenüber endet in der Katastrophe. Wohlstand macht einfach nur naiv. Grenzenlos naiv.