„Wir schulden den Afrikanern und Arabern nichts“
27. April 2018 von Thomas Hartung
Aufgerufen kurz vor 20 Uhr, war es Punkt 14 auf der Tagesordnung – der letzte der 70. Sitzung des Sächsischen Landtags der laufenden Legislaturperiode. Gegenstand war die Petition eines Bürgers, der das Verhalten eines verbeamteten Professors unter dienstrechtlichen Aspekten überprüfen lassen wollte. Dieser Professor – seinen Klarnamen zu nennen hatte er nur der AfD gestattet – heißt Thomas Rauscher und ist seit 1993 Inhaber der C4-Professur für Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung sowie Bürgerliches Recht an der Universität Leipzig und dort zugleich Institutsdirektor.
Der 62jährige gebürtige Bayer gilt als Koryphäe, seiner Feder entstammen u.a. das Lehr- und Handbuch Familienrecht, der 5-bändige Praxiskommentar zum Europäischen Zivilprozess- und Kollisionsrecht sowie das Lehrbuch Internationales Privatrecht. Daneben war er 23 Jahre lang ERASMUS-Beauftragter der Fakultät, d.h. zuständig für die Auslandsaufenthalte der Jurastudenten. Von dieser Position wurde er im Februar 2018 abberufen – aus denselben Gründen, die die Petition anführte. Gegen diese Abberufung hat er bereits Widerspruch eingelegt.
Die Petition selbst entpuppte sich als eine nicht als Plagiat gekennzeichnete wörtliche Wiedergabe eines Artikels von Bernhard Honnigfort vom 23.11.2017 aus der „Berliner Zeitung“ – wie dieser publizistische Text überhaupt unbemerkt als sächsische Petition durchgehen konnte, ist bis heute unklar. Aber anhand dieses Texts warf nun der Petent die Frage auf, inwieweit die Landesregierung dafür Sorge trägt, dass Universitätsbeschäftigte keine Äußerungen tätigen, die „gegen das Grundgesetz bzw. die Gesetze des Bundes verstoßen“.
Mit „Äußerungen“ sind im Wesentlichen Tweets gemeint, zwei davon vom November 2017. In dem einen twitterte Rauscher: „Es ist natürlich, sich zu wehren, wenn die eigene Kultur untergeht. Die ‚Angst des weißen Mannes‘ sollte wehrhaft werden!“. In dem anderen kommentierte der Jurist einen Aufmarsch polnischer Patrioten in Warschau, die ein Plakat mit der Aufschrift „Ein weißes Europa brüderlicher Nationen“ trugen, mit den Worten „Für mich ist das ein wunderbares Ziel.“ In einem dritten erklärte er: „Wir schulden den Afrikanern und Arabern nichts. Sie haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Stammes- und Religionskriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben.“
„Rauscher rausch ab!“
Daraufhin distanzierten sich Wissenschaftspolitiker; forderten Kollegen, darunter auch der Leipziger Dekan Tim Drygala, Sanktionen, Studenten gar seine Entlassung. Es gab eine Demo mit Hunderten Teilnehmern vor einem Plakat „Rauscher rausch ab!“. Rauscher sei ein Rassist, erklärten linke Studentenvertreter und störten eine Vorlesung des Professors, um persönlich vor ihm zu protestieren, aber nicht mit ihm zu diskutieren.
Außerdem wurde eine Online-Petition initiiert, die die Entlassung des Professors forderte und es auf 18.000 Unterschriften brachte. „Weil der Staat, auch wir als Gesellschaft, keine Menschen mit faschistischer Ideologie subventionieren dürfen“, so eine der Begründungen. Für die Leipziger Kanzlerin Birgit Dräger steht „die Meinungsfreiheit, insbesondere die Freiheit von Forschung und Lehre, gegen den Verdacht der Volksverhetzung und mangelnder Mäßigung im Amt.“
Der Petitionsausschuss unter der Federführung der CDU hatte die Petition der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen. Falls diese Verstöße nachweisen könnte, drohten Rauscher Sanktionen: von der Rüge über Kürzungen seiner Bezüge bis hin zur Entlassung. In der Person der Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) kam die Staatsregierung dagegen zu dem Schluss, dass der Petition nicht abgeholfen werden könne.
Stange, die zuvor Rauscher öffentlich gerügt hatte, berief sich trotz ihrer Kritik auf die Meinungsfreiheit: der Jurist habe sich als Privatmann und nicht im Namen und als Mitarbeiter der Uni auf Twitter geäußert. Die Vorverurteilung der Ministerin aber wog schwer, denn selbst Dekan Drygala war gezwungen, seine eigenen Vorwürfe zu relativieren. In der ZEIT gab er zu: „In der Lehrtätigkeit von Thomas Rauscher, auch in seinem Umgang mit Erasmus-Studenten, ist nie etwas vorgefallen. Es gab in all den Jahren keine einzige Beschwerde. Und es gibt auch viele Studenten, die ihn sehr schätzen.“
Das roch also nach Zoff in der sächsischen GroKo, den die oppositionelle Linke zum Anlass nahm, diese Petition Ende April öffentlich im Plenum zu diskutieren. Da siele sich ein rechter Spießbürger im braunen Sumpf, keifte Fraktionsvize Luise Neuhaus-Wartenberg, und beklagte eine Verbreiterung des rechten Diskurses über den akademischen Betrieb „bis hinein in gewisse Regierungsbänke“. Außerdem stünden Äußerungen von Beamten nicht im luftleeren Raum, sondern in Beziehung zur gesellschaftlichen Stellung der sich Äußernden, erklärt sie ihre Sicht auf das „Zurückhaltungsgebot“.
Die bildungspolitische Sprecherin der AfD-Fraktion Karin Wilke fragte prompt, ob es zwei verschiedene Meinungsfreiheiten gäbe, eine normale und eine „light“ für Staatsdiener, oder gar eine private für alle Meinungen und eine öffentliche, in der nur eine Meinung zählt. Dann nahm sie in ihrer Begründung, der Petition auch nicht abzuhelfen, die interpretativen Unterstellungen auseinander, die Rauscher selbst in wenigen Interviews widerlegt hatte.
Das „weiße Europa“ als Chiffre
So steckt im dritten Tweet eben kein Rassismus, sondern schlicht Protest gegen die Ansicht, dass alle Fluchtursachen aus der Kolonialzeit stammten. Sie sei nicht schuld daran, dass sich „seit dem dritten Kalifen Schia und Sunna bekriegen und deshalb derzeit der arabische Subkontinent brennt. Sie ist auch nicht schuld daran, dass sich Robert Mugabe nach der Unabhängigkeit jahrzehntelang hemmungslos bereichert hat“, so Rauscher im MDR. Es ist also Unsinn, dass Europa die drohende Migrationswelle hier „entgegennehmen“ muss, weil es eine koloniale Schuld zu begleichen gäbe. Wenn laut WELT in den subsaharischen Ländern 110 Millionen Menschen zur Migration nach Europa bereit sind, ist es richtig und wichtig, nicht aber rassistisch, das zu thematisieren.
Zugleich wirft Rauscher den arabischen und afrikanischen Gesellschaften und Staaten Versagen in Staat und Verwaltung, Korruption, unterlassene Maßnahmen gegen Überbevölkerung, Stammes- und Religionskriege vor. Er ordnet also keine Eigenschaften zu, sondern beschreibt einen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ist-Zustand, der die Grundlage der sogenannten Fluchtursachen ist. Das alles richtet sich nicht gegen Individuen, sondern gegen Staaten, die nun einmal in Arabien und Afrika liegen. Das ist genauso wenig rassistisch, wie wenn man Griechenland vorwirft, dass es sich in den Euro hineingeschwindelt hat. Hier werden Fakten durch den Rassismusvorwurf tabuisiert, weil man diese Fakten im deutschen Mainstream nicht hören will.
Auch die vorgebliche „Fremden-“ bzw. „Ausländerfeindlichkeit“ ist an den Haaren herbeigezogen. Nicht nur die Polen, auch andere gerade mitteleuropäische Völker wünschen sich ein Europa, das sich seiner kulturellen und christlichen gemeinsamen Wurzeln bewusst ist, hierfür sei „das ‚weiße Europa‘ eine Chiffre. Denn unbestreitbar ist die Geschichte und Kulturentwicklung der letzten Jahrtausende in Europa eine von weißen Menschen geprägte. So wie die afrikanische Geschichte eine von schwarzen Menschen geprägte ist…“, so Rauscher. Diese kulturelle Identität Europas stünde einem weltoffenen Dialog nicht entgegen.
Wohl aber stehe sie entgegen einer unkontrollierten Völkerwanderung: „Insofern liegt die Art und Weise, in der Frau Stange und die Universitätsspitze den Begriff der ‚Weltoffenheit‘ instrumentalisieren, völlig jenseits dessen, was Weltoffenheit im Sinne einer Universität ist. Wenn Weltoffenheit sein soll, dass man gegenüber einer ungesteuerten Migration die Tür offen und hier jeden reinkommen lässt, dann ist es dasselbe, als würde man Gastfreundschaft damit verwechseln, dass man die Haustüre nicht mehr absperrt“, klagt Rauscher.
Millionen wirtschaftlich motivierte Migranten sind für den Juristen keine Botschafter ihrer Kulturen, „sondern Menschen, die immerhin das Geld und die Kraft haben, ihre Länder zu verlassen – und damit auch im Stich zu lassen – und in Europa zu einer kulturell entwurzelten Schicht zu werden drohen. Die europäische Kultur verkraftet diese Masse nicht und hat deshalb nur die Wahl, sich selbst zu verleugnen oder die Zugewanderten zwanghaft zu assimilieren. Beides ist kulturfeindlich.“
Austausch, individuell beidseits gewollte Migration mit freier Entscheidung für Integration oder Rückkehr bejaht er, lehnt aber Völkerwanderung mit Majorisierung und Parallelgesellschaften ab. Ein Intellektueller, der aufgrund vieler akademischen Auslandskontakte fremde Kulturen nicht nur von der Dönerbude und vom Strandurlaub her kennt und dann gegen Multi-Kulti argumentiert, ist für die Gewissheit von der eigenen Unfehlbarkeit der Multi-Kulti-Fetischisten natürlich gefährlich.
„Es ist eine Herrschaft des Unrechts“
Und ebenso wenig, wie sie gegen die Meinungsfreiheit verstoßen, sind diese Äußerungen grundgesetzwidrig. Im Gegenteil erlebt Deutschland das Versagen des Rechtsstaats, den das Grundgesetz normiert, durch die willentliche Rechtsbrechung der Bundesregierung mit Angela Merkel an der Spitze. Schon in der Sendung „Was nun?“ des ZDF am 13.November 2015 sagte die Kanzlerin auf dem Höhepunkt der illegalen Masseneinwanderung: „Ich kämpfe für den Weg, den ich mir vorstelle, für meinen Plan, den ich habe… aus Illegalität Legalität zu machen.“ Das ist keine Demokratie, das ist Monarchie. Auch zwei renommierte Staatsrechtler, die Ex-Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier und Udo Di Fabio, fürchten um die verfassungsstaatliche Souveränität der Bundesrepublik und sehen den Rechtsstaat als Ganzes in Gefahr. Di Fabio wird in einem CSU-beauftragten Gutachten sehr deutlich.
Die Öffnung der Grenzen könne zwar mit dem Notstand der Menschenwürde gerechtfertigt werden, aber erstens nur punktuell und auf wenige Tage beschränkt; und zweitens nicht „ohne gesetzliche Grundlage“, womit die Rechtspositionen von Bundestag und Bundesrat missachtet wurden, so di Fabio. Die Verfassung sei nicht dafür da, den Schutz aller Menschen weltweit „durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis“ zu sichern. Der „Passauer Neuen Presse“ sagt CSU-Chef Horst Seehofer prompt zum Aschermittwoch 2016: „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“
Im September 2017 bekam di Fabio Unterstützung durch ein Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Für die Juristen ist „die pauschale und massenhafte Einreisegestattung nicht mehr vom § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylG gedeckt“. Sie schlussfolgern, dass eine so weitgehende Anordnung „einer gesetzlichen Regelung oder einer parlamentarischen Zustimmung bedarf“.
Im Klartext: Die Regierung hat auf unklarer Rechtslage eigenmächtig in einer Angelegenheit entschieden, die gravierende soziale, wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen sowie einen signifikanten Sicherheitsverlust zur Folge hat. Auf die Entscheidung angesprochen, verstieg sich gar Kardinal Marx zu einem Lob Angela Merkels mit den Worten, sie habe „sich sogar über das Gesetz hinweggesetzt. Das gehört auch zur politischen Führung!“
Nicht Thomas Rauscher ist es also, der ein Gesetz gebrochen hat. Er weist „nur“ darauf hin und wird prompt als Demokratiefeind gemaßregelt. Für diese Argumentation wurde Karin Wilke im Plenum vom Parlamentarischen Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Valentin Lippmann der „geistigen Unzurechnungsfähigkeit“ bezichtigt. Rauscher selbst wiederum dankte ausdrücklich den Abgeordneten der AfD dafür, dass sie „die Fahne der Meinungsfreiheit aufrechterhalten“.
von damals bekannte Unterdrückungsmuster
Diese Vorgänge um den „Pegidaprofessor“ (BZ) werfen ein bezeichnendes Licht auf den katastrophalen Zustand der Demokratie, des hohen Guts der Meinungsfreiheit und der politischen Korrektheit in unserer Republik. Mäßigungsgebot heißt nicht, dass sich ein Beamter in Kadavergehorsam die Meinung von Vorgesetzten vorschreiben lässt oder gar sich selbst zensiert. Das war in der DDR so, wie Rauscher anhand zahlreicher Zuschriften von Mitbürgern bestürzt feststellt, „die in dem Verhalten des Wissenschaftsministeriums, der Unileitung und des Senats die ihnen von damals bekannten Unterdrückungsmuster wiedererkennen.“ Mit der Diskreditierung, ja versuchten Entfernung seiner Person sollen offenbar unliebsame wissenschaftliche Erkenntnisse zur Demografie- und Konfliktforschung komplett und unwiederbringlich mit entsorgt werden, die nicht in das linksideologische und religiöse Weltbild passen.
Rauscher hat sich zu einer allgemeinen politischen, im Moment intensiv diskutierten Frage geäußert, klar gekennzeichnet als Privatperson und in keiner Weise die dienstlichen Belange berührend. Professoren haben sich nicht zurückzuziehen hinter irgendwelche vorgefertigten Meinungen, die vorgesetzten Stellen gerade opportun sind. Sie haben – wie übrigens alle Intellektuellen in diesem Lande – die Aufgabe, sich zu positionieren, „alle angenommenen Weisheiten in Zweifel zu ziehen … und jene Fragen zu formulieren, die sich sonst niemand zu stellen wagt“, wie Ralf Dahrendorf forderte. Das hat Rauscher getan, dafür gebührt ihm die Hochachtung aller Demokraten.