„Schlau ist, wer schmächtig wirkt – und dumm, wer stark ist“
25. Dezember 2018 von Thomas Hartung
„Wir schreiben das Jahr 50 vor Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten…“ Mit dieser mittlerweile fast legendären Eröffnung startete vor fast 60 Jahren eine der meist gelesenen Comicserien in Europa. Und seit einem halben Jahrhundert, genau seit dem 18. Dezember 1968, erschien „Asterix der Gallier“ im Egmont-Ehapa-Verlag in deutscher Übersetzung – bis heute, da im deutschsprachigen Raum ein Drittel der weltweiten Gesamtauflage von sagenhaften 370 Millionen Alben gekauft, gelesen, verschlungen wurde.
Als verfrühte Jubiläumsausgabe legte der Verlag schon Anfang Oktober eine Ausgabe dieses ersten Asterix-Albums wieder auf – und verschwieg dabei nicht, dass es davor bereits ein deutschsprachiges Kapitel des um Obelix vervollständigten Comics gab. Ein Kapitel, das ein bezeichnendes Licht sowohl auf die Genese des deutsch-französischen Verhältnisses als auch der beginnenden allseitigen politischen Korrektheit in der deutschen Kulturlandschaft wirft. Denn Asterix sollte zunächst ein französischer Comic mit französischen Themen für französische Kinder sein, der, ausgehend von einer Vercingetorix-Parodie, in höchst ironischer Manier einen zentralen Entstehungsmythos Frankreichs aufgriff: Trotz Niederlage habe es nie eine vollständige Kapitulation gegeben.
Die Gallier jenes kleinen Dorfes kämpften gegen eine nur vermeintlich übermächtige römische Besatzung in verschiedensten Varianten und trafen die Vorväter westeuropäischer Staaten als Angehörige fremder Stämme mit erstaunlich neuzeitlich-nationalen Stereotypisierungen, die aber lediglich zur Ironisierung aktueller Lebensumstände dienten. Folgenlose Gewalt in Form von Prügeleien war als zentrales Slapstick-Element die treibende Kraft der Geschichtsgroteske. Begleitet wurde diese brachiale Völkerverständigung von erstaunlich (selbst-)ironischen Sprachwitzen und lateinischen Sprüchen, die wohl überwiegend dem „Zitatenschatz der französischen Schuljugend“ entsprachen, konstatierte Christine Gundermann in Zeithistorische Forschungen.
Die Starautoren René Goscinny (1926–1977, Texte) und Albert Uderzo (* 1927, Zeichnungen) waren bemüht, eine ausgewogenen Kombination von subtilem bis anspielungsreichem Humor mit grobem Klamauk zu produzieren, um eine breite Leserschaft in vielen Altersgruppen und sozialen Schichten anzusprechen – seit den 1970er-Jahren gar Schulkinder, die mit den Alben Fremdsprachen wie Latein und Altgriechisch lernten, in die die Hefte auch übersetzt wurden. Überliest man die ironischen Sprachwitze von Goscinny, bleibt – im französischen Original – ein offenkundiger französischer Chauvinismus übrig, hinter dem man von deutscher Seite teilweise die verbildlichte und verspätete Rache der französischen Résistance gegen die deutsche Okkupation vermutete und der in „Asterix und die Goten“ (1965) seinen Ausdruck findet.
„kriegslüsterne und herrschsüchtige Neurotiker“
Darin wird thematisiert, wie die Westgoten in Gallien einfallen, den Sieger des jährlichen Druidenwettstreits entführen und mit seiner Hilfe auf Eroberungszug gehen wollen. Im gotischen Kerker schmiedet Wettstreitgewinner Miraculix mit Asterix und Obelix den Plan, einen Bürgerkrieg zu initiieren, damit die Goten für die nächsten Jahrhunderte nicht mehr auf die Idee verfallen, ihre Nachbarn zu überfallen. Die „asterixinischen Kriege“ brechen prompt aus, und die drei Gallier kehren unbehelligt in ihr Dorf zurück, wo man sie schon für tot gehalten hat und ihre Wiederkehr mit der traditionellen Feier unter Sternenhimmel zelebriert.
Diese Episode war die dritte, die als „Siggi und die Ostgoten“ in Deutschland in den „Lupo“-Bänden von Rolf Kauka (1917-2000), dem Verleger von „Fix und Foxi“, in Lizenz erschien: nach „Siggi und die goldene Sichel“ („Die goldene Sichel“) und „Kampf um Rom“ („Asterix als Gladiator“) sowie noch gefolgt von „Siggi der Unverwüstliche“ („Asterix der Gallier“, alle 1965-1966). Deutlich wird bereits an den Titeln, dass der Kauka-Verlag die weltweit sicher stärkste Umdeutung des Originalcomics vornahm. Denn getreu der zeitgenössischen Manier, importiertes Comic-Material einem vorgestellten deutschen Leserhorizont anzupassen, machen die Texter aus den drolligen Galliern wackere Germanen mit Namen Siggi und Babarras, die im rheinischen „Bonnahalla“ den Besatzern in „NATOlien“ tapfer die Stirn bieten, unterstützt von einem „Hexenmeister Konradin“ in Anspielung auf den ersten Kanzler der jungen Bundesrepublik, Konrad Adenauer, zu dem der Druide Miraculix mutiert war.
Die römischen Feinde reden sich übrigens mit „Boys“ an und kommen sprachlich auch sonst recht angloamerikanisch daher: „You forget wohl, dass we are the winner“. Die Kritik an der Bonner Republik war überdeutlich: Kauka sei „deutschnational und stockreaktionär“, so Matthias Heine in der WELT. Im schwierigen Prozess des sprachlichen und kulturellen Transfers einer Übersetzung des Comics wurde durch nationaldeutsche, xenophobe und teilweise antisemitische Interpretationen aus der Eindeutschung eine mitunter witzlose Germanisierung. Über Babarras’ Hinkelstein sagt Siggi etwa: „Musst du denn ewig diesen Schuldkomplex mit rumschleppen? Germanien braucht deine Kraft wie nie zuvor.“ Aus dem Hinkelstein war eine Auschwitzkeule geworden.
Zu einer antisemitischen Karikatur wird in Kaukas Fassung von „Die goldene Sichel“ der Schieber und Kneipier Avoranfix: Er nennt ihn Schieberus und macht ihn zum Kollaborateur der Besatzer, durch seine jiddisierende Sprache („No, nemmt se fest“) klar als Jude erkennbar. Da treffen sich die Propaganda vom wuchernden Juden – er verkauft Sicheln zu überhöhten Preisen – und die „Dolchstoß-Legende“: Der jüdische Feind fällt der Nation im eigenen Land in den Rücken. Darüber hinaus enthielten die Übersetzungen kaum verschlüsselte Wertungen gegenwärtiger Verhältnisse. So wurde die DDR als Heimstatt hungernder Sklaven dargestellt. Amerikaner, Franzosen, Engländer, Juden und Russen erschienen als „kriegslüsterne und herrschsüchtige Neurotiker“, so Gundermann.
In der verfälschenden Kauka-Übersetzung „Siggi und die Ostgoten“ wurden in Anlehnung an die deutsch-deutsche Teilung allzu offensichtlich die Westgoten zu Westdeutschen und die Ostgoten zu Ostdeutschen umgeschrieben: Sie sprachen mit sächsischem Dialekt, redeten sich mit „Genosse“ an und sprachen in ihren Sprechblasen mit roter Antiqua. Goscinny und Uderzo hatten sich ursprünglich für die gotische Schrift, die Fraktur, entschieden, um die Sprache vom Gallischen und Römischen, der Normalschrift Antiqua, abzugrenzen.
Außerdem wurde bei den gotischen Namen aus dem Suffix –ix ein –ik: Cholerik, Holperik, Elektrik, Lyrik, Mickerik, Rhetorik usw. In Anlehnung an die damalige DDR-Nomenklatur hießen ihre Führer und Agenten aber Hulberick (nach Walter Ulbricht), Stooferick (Willy Stoph) oder Benjaminick (Hilde Benjamin). Das Missionsziel von Häuptling Hullberick las sich so: „Mir ham den besten westgot‘schen Druiden zu kaschen und zurück ower die Grenze zu bringen, vorschtand‘n! Mit seinen Kunststückchen muß‘r uns dann bei der Invasion nach Bonnhalla gegen die Kapitalisten helfen.“ Die Übersetzung führte zu einer politischen Debatte und dazu, dass der Comic der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften vorgelegt wurde – ohne Ergebnis.
Schließlich wurden auch Uderzo und Goscinny auf die zu offensichtliche „Germanisierung“ aufmerksam. „Wir kauften uns eine Ausgabe, und dann ist uns der Himmel wirklich auf den Kopf gefallen“, erinnert sich Uderzo. Auf sein und Goscinnys Betreiben kündigte der Verlag den Vertrag mit Kauka, und der Egmont-Verlag erwarb die freigewordenen Rechte. Kauka und seine Redakteure allerdings waren so überzeugt von ihrer Idee, dass sie mit „Fritze Blitz und Dunnerkiel“ eine in der Tendenz ähnliche Nachfolgeserie schufen. So ziehen die Protagonisten in „Der Ochsenkrieg“ gegen „Hulberick“ und die „Ostzonalen“ zu Felde, während in „Der liebe Gott von Gallien“ Revanche an den Landsleuten der ehemaligen Lizenzgeber genommen wird.
In seiner 1969 erschienenen Fassung der „Spirou und Fantasio“-Geschichte „QRN ruft Bretzelburg“ machte Kauka aus einem korrupten Operetten-Kleinstaat mit Pickelhaubensoldaten die DDR. Die Hauptstadt heißt „Berlin-O.“. Die Menschen dort tragen Anzüge aus Zeitungspapier und stehen unter der Knute des skrupellosen Marschalls „Iwan Sownjet“, der den sächselnden „Staatsratsvorsitzenden“ von Bretzelburg, im Original ein König, gefangen hält und Krieg gegen „Bonnhalla“ (!) führen will. Das pseudopatriotische Konzept findet sich auch in anderen Serienversuchen dieser Zeit, wie etwa dem Steinzeit-Comic „Die Pichelsteiner“ oder den „Hermann Teutonus“-Episoden. Anklang beim Leser fand es indessen nicht. Es klingt wie traurige Selbstironie: Die endgültig letzte „Fritze Blitz“-Episode trägt den Titel: „Das haut den stärksten Krieger um“.
„Ich muss den Chef fragen“
Der Egmont-Verlag begann ab 1968 mit der Publikation der Asterix-Alben in neuer Übersetzung und publizierte 1970 „Asterix und die Goten“ erstmals als siebten Band der numerisch vom Original abweichenden deutschen Edition. Diese und 28 weitere Egmont-Übersetzungen stammen dann von Gudrun Penndorf, die zuvor „Walt Disney’s Lustige Taschenbücher“ aus dem Italienischen übersetzte, sich von Erika Fuchs, der legendären Donald-Duck-Übersetzerin, anlernen ließ und der der deutsche Asterix seinen Witz verdankt. So machte sie aus dem französischen „Ils sont fous, ces Romain!“ das heute sprichwörtliche „Die spinnen, die Römer!“ – bei Kauka hatte es noch reichlich holprig geheißen: „Uii, die Römer sind doof.“
Philipp Spreckels hat auf yellowcomic akribisch analysiert, welche Eigenschaften Goscinny und Uderzo beim Volk der Goten zutage treten ließen und wie sie diese mit der deutsch-französischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zusammendachten. So erkennt er eine Autoritätsfixierung vieler Goten, die er als Verweis auf den Führerkult und die Massenpsychologie des Dritten Reiches, aber auch auf die Befehlshörigkeit im Deutschen Kaiserreich deutet. Das Verhältnis der Goten zu Autorität steht damit in krassem Gegensatz zu dem der Gallier, deren Oberhaupt Majestix eher durch Tollpatschigkeit denn Durchsetzungskraft auffällt. Ale Beispiele nennt er die ständigen Jubelrufe der untergebenen Goten für ihren Anführer „Es lebe Rhetorik, unser Chef!!!“ oder die Weigerung eines gotischen Grenzwächters, ausländische Waren ohne Genehmigung seines Vorgesetzten passieren zu lassen: „Nein, nein! Ich muss den Chef fragen.“
Vor dem Hintergrund von Asterix‘ und Obelix‘ üblichen Methoden der Konfliktlösung (Piff! Paff! Bumm! Klatsch!) erscheinen die Goten zunächst ähnlich. Anders sieht es jedoch aus, betrachtet man das langfristige Ziel der Gewaltanwendung: Während sich die Gallier gegen die Belagerung der Römer verteidigen und durchaus auch Freude an einer kleinen Schlägerei haben, wollen die Goten ihr Herrschaftsgebiet dauerhaft erweitern. Das weckt natürlich Erinnerungen an die Eroberungskriege der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert, wenn dann Rhetorik seinen Männern das Ziel ihrer Mission so erklärt: „Es geht uns darum, das wir den besten Druiden von Gallien fangen. Wir bringen ihn über die Grenze. Dann bereiten wir mit Hilfe seiner Zauberkunst die Invasion von Gallien und Rom vor.“
Das disziplinierte, militärische Verhalten der Goten bildet einen Gegenpol zu den individualistischen, undisziplinierten Galliern. Die soldatischen Tugenden, der Drill und die Disziplin der Truppe werden üblicherweise mit dem preußisch-deutschen Militär assoziiert. So wird unter den Goten sich angeschrien, salutiert, marschiert und exerziert, zum Appell geblasen und gemeinsam in der Kaserne Kohl gegessen. Die Goten werden aber auch physisch von den Galliern abgegrenzt; die Grenze erscheint so, wie man sie aus politischen Karten kennt, und wird auch durch den Straßenbelag illustriert – während auf römischer Seite mit Stein gepflastert wird, was Zivilisation verheißt, geht es in Germanien auf einem unbefestigten Pfad weiter, der für Wildnis steht.
Die Helme der Goten erinnern durch ihre Spitzen an die Pickelhauben des Ersten und durch ihre Form und dunkelgrüne Farbe an die Stahlhelme des Zweiten Weltkrieges. Mit den Galliern haben sie Federschmuck und Hörner gemein. Sonst sind die Goten etwas „barbarischer“ gekleidet: Statt bunter, gallischer Stoffe tragen sie erdfarbene Felle als Hosen und Umhänge. Ihre Schultern und Arme erscheinen stärker behaart als bei den Galliern, und sie haben alle Glatze. In der französischsprachigen Originalversion sind sogar Hakenkreuze in einer Sprechblase und auf einer Flagge zu sehen.
Entsprechend kritisch fällt der Blick André Stolls in seinem Buch „Asterix – Das Trivialepos Frankreichs: Bild- und Sprachartistik eines Besteller-Comics“ (1974) aus. Das in eine „barbarische Antike verlagerte Goten-Panorama“ mit „grotesk überzeichneten Klischees“ entspreche dem Bild, das nach der Abtretung von Elsaß-Lothringen 1871 „mit Unterbrechungen und wechselnden Akzenten von den offiziellen Bildungs- und Informationsmedien verbreitet wurde“.
Während der Name der Engländer, „Bretons“, alte ethnische Gemeinsamkeiten betone, ersetze umgekehrt die Bezeichnung „Goten“ für Deutsche den eher positiven Begriff „Germanen“ („cousins germains“ – „Kinder der Geschwister“). Speziell in den „Kasernenhofszenen“, die Asterix und Obelix kostümiert miterleben, sieht Stoll eine „Allegorie der gerafften Entwicklung des deutschen Militarismus von Bismarck über Hindenburg, Hitler und zu dem Desaster von 1945, das in der Vision einer ‚Schlacht der beiden Besiegten‘ prophetisch seiner Vollendung zugeführt wird.“ Alfred Grosser, einer der intellektuellen Wegbereiter im Vorfeld des Elysée-Vertrags, nennt diese Ausgabe dennoch „ein wichtiges politisches Werk“.
„Brutus Rapidus“, „Kandidatus“ und „Feminax“
Allerdings konnten selbst Penndorfs bis heute wenig gewürdigte Schöpfungen diverse Markenrechtsstreitigkeiten nicht verhindern: Asterix ist nicht nur urheberrechtlich geschützt, sondern die Figuren auch als Marke. Und sobald irgendetwas in Anspielung darauf auf dem deutschen Markt erscheint, wurde sofort abgemahnt und geklagt. Das ging so weit, das man auch gegen die Mobilgeräte-Unix-Website „MobiliX“ aufgrund einer angeblich gegebenen Verwechslungsgefahr mit „Obelix“ klagte und vor dem Oberlandesgericht München Recht bekam. Das ungleich finanzstärkere und damit klageresistentere Telekommunikationsunternehmen Orange A/S, das Mobiltelefone unter dem gleichen Namen anbot, zog dagegen bis vor den EuGH, wo Uderzos Ansprüche schließlich abgewiesen wurden.
Trotzdem entstanden vor allem in den 1980er Jahren zahlreiche – heute würde man sagen – „Mashups“, in denen Asterix-Motive bildlich weitgehend unverändert neu kombiniert und mit anderen, häufig politischen Texten versehen wurden. Die bekanntesten dieser Hefte sind neben „Asterix und das Atomkraftwerk“ der Bewegung „Kein AKW in St. Tropez“ aus dem „plutonium“-Verlag, in dem Julius Caesar das gallische Dorf abreißen und einen „Brutus Rapidus“ errichten will, außerdem:
+ „Asterix in Bombenstimmung“, in dem die Friedensbewegung den NATO-Doppelbeschluss der 1980er Jahre aufs Korn nahm;
+ „Asterix im Hüttendorf“ der „Edition Waldgeist“, mit dem gegen den Bau der Startbahn West protestiert werden sollte; oder
+ „Asterix gegen Rechts“ mit „Kandidatus“ Franz-Josef Strauß von den Autoren Demokratix und Interpretix, hinter denen sich die damalige Frankfurter Stadtzeitung „Plasterstrand“ verborgen haben soll.
Ralf Palandt äußerte in einer Studie über diese Mashups die Vermutung, dass sich dieser Comic besonders für solche Zwecke eignete, weil es darin um Widerstand gegen eine Übermacht ging: das gängige Asterix-Narrativ. Anders Richard Herzinger, der bereits 2009 in der Welt eine sehr eigene These entwarf: die Geschichten aus der kleinen, völkischen Dorfgemeinschaft nähmen in trivialisierter Form jenes Ideal von der reinen Rasse auf, das einst nicht nur in Deutschland verbreitet war und nicht erst durch die Nazis in die Welt gekommen ist. Ihre Botschaften riefen in spielerischer Form alte Sehnsüchte wach, die in tiefsten Schichten des europäischen kollektiven Bewusstseins vergraben zu sein schienen, erklärt er unter Verweis auf die Studie „Der arische Mythos“ des französischen Kulturhistorikers Léon Poliakov.
Danach halte die ethnisch homogene Dorfgemeinschaft starr an ihren archaischen Stammesstrukturen fest: „Wissenschaft“ ist dort allein dem Druiden Miraculix vorbehalten, der seine magischen Köcheleien vor der Dorfgemeinschaft streng geheim hält. Handel und Wandel seien auf den Verkauf meist schon unangenehm riechender Fische beschränkt, und als technologisches Spitzenprodukt hat die Stammesgemeinschaft den grob behauenen Hinkelstein zu bieten, von denen sich Obelix zwanghaft niemals trennt. Das könne auch als antiamerikanische Spitze verstanden werden: Das kleine gallische Dorf wirke wie der diametrale Gegenentwurf zu der kosmopolitischen US-Metropole Entenhausen, wo frei laufende, individualisierte Enten mit Auto fahrenden Mäusen und dem Landleben entfremdeten Hühnern und Kühen in bunter ethnischer Vielfalt zusammenleben. „Asterix“ feiere hingegen das putzige Idyll der kleinen Einheit, die sich den Geißeln von Konsum und Fortschritt verweigert – und deshalb bei den Ökopax-Fundamentalisten der 70er- und 80er-Jahre bestens ankäme.
Im Zusammenhang damit taucht der Name eines Mannes auf, der es später zu eigener Berühmtheit brachte: Günter Freiherr von Gravenreuth. Der Anwalt war damals in einer von Uderzo beauftragten Kanzlei beschäftigt und ließ „Werkstudenten“ in Kleinanzeigen und mittels Anfragen nach solchen Comics suchen, auf die er mit einer Abmahnung reagierte. Allerdings ging Uderzo auch in Deutschland nicht gegen ausnahmslos jede Adaption vor: Als 1992 im Verlag der Zeitschrift EMMA Franziska Beckers feministische Asterix-Anlehnung „Feminax & Walkürax“ erschien, zog er den Schwanz ein und ließ sie unbehelligt. Die Gründe liegen bis heute im Dunkeln.
Die Bedeutung der Asterix-Comics nach 50 Jahren ist, neben dem Unterhaltungs- und Fremdsprachlern-Effekt, auch in Deutschland kaum gering zu schätzen. Thomas Kramer zeigt für die DDR eindrucksvoll, wie Szenengestaltungen, Zeichenstile und -techniken in die populäre DDR-Comicserie „Mosaik“ eingeflossen sind; auch die sprachliche Ähnlichkeit der Hauptprotagonisten „Abrax, Brabax, Califax“ mit Asterix, Obelix und Miraculix gibt er zu bedenken. Und Grosser hat einmal gesagt: „In Frankreich herrscht eine tief verwurzelte Sportfeindlichkeit. Schlau ist, wer schmächtig wirkt – und dumm, wer stark ist.“ Asterix und Obelix beweisen das: Was Kraftprotz Obelix nicht erreicht, schafft Kerlchen Asterix mit List und Tücke. Das Geheimnis des Erfolgs ist das Anderssein, nicht der Mainstream. Dieses Geheimnis und der siegreiche Kampf der wenigen Kleinen gegen die vielen Großen: das macht die Faszination der ungleichen Kumpels aus – über alle nationalen Grenzen hinweg.
Ein toller Beitrag, Danke dafür. Ich habe ihn auf FB geteilt und etliche Likes bekommen :).
Das Thema Energie ist seit Jahrzehnten entscheidend und wird
es auch in den nächsten Jahren sein. Verkehr, Heizung sowie Strom sind aus
unserem Leben nicht mehr wegzudenken.