„Als erster hast du mich umrundet“
19. September 2019 von Thomas Hartung
Die Bandas sind eine der schönsten und faszinierendsten Inselgruppen Indonesiens inmitten des Archipels der Molukken – und vor 500 Jahren der einzige Ort, wo Muskatbäume wuchsen, deren Nüsse damals eines der wertvollsten Handelsgüter der Welt waren. Mit Muskat wurden Aphrodisiaka gemischt, schale Biere aufgepeppt und natürlich Speisen gewürzt. Der Preis lag bei einer halben Kuh – pro Nuss! Sie wurden auf den Schiffen und Kamelen vor allem muslimischer Händler nach Europa gebracht, die gut daran verdienten. Kein Wunder, dass die christlichen Herrscher Europas so begierig darauf waren, den direkten Weg zu den sagenhaften „Gewürzinseln“ zu finden.
Allerdings hat einer der mächtigsten dieser Herrscher seit 1494 ein Problem. In diesem Jahr wurden, natürlich ohne die Einheimischen zu fragen, die Einflussgebiete der beiden konkurrierenden Mächte Portugal und Spanien durch einen Schiedsspruch von Papst Alexander VI. im Vertrag von Tordesillas festgelegt: Alle neu entdeckten Gebiete westlich der Demarkationslinie von 46 Grad westlicher Länge sollen Spanien gehören. Auf das Land östlich davon können die Portugiesen Anspruch geltend machen. Die Molukken lagen genau da.
Der portugiesische Seefahrer Fernando Magellan vermutet nun, dass die Inselgruppe westlich der Tordesillaslinie liegt und daher Spanien, nicht Portugal, ein Anrecht darauf hätte. Vielleicht seien die Inseln sogar leichter von Osten nach Westen zu erreichen. Man müsse dazu vom Atlantik in das große Meer auf der anderen Seite segeln, das Vasco Nuñez de Balboa bereits 1513 entdeckt hat. Dass es eine Verbindung zwischen den beiden Ozeanen gibt, ist bisher bloße Spekulation. Magellan will sie für Spanien entdecken und macht König Karl I., als Karl V. später auch deutscher Kaiser, ein Angebot.
geheime Karte gefunden?
Die Geschichte bis zu diesem Angebot ist vor allem eine gekränkter Eitelkeit. Der am 3. Februar 1480 in Sabrosa (Portugal) als Fernão de Magalhães geborene Bürgermeistersohn wurde mit zehn Jahren Waise und erhielt als Page am Hof von König João (Johann) II. eine umfassende Ausbildung. Daran soll auch Martin Behaim als Lehrer beteiligt gewesen sein, ein Nürnberger Tuchhändler und portugiesischer Ritter, der als Anreger des ältesten erhaltenen Globus gilt.
1505 absolvierte er, inzwischen zum Knappen befördert, in Indien seine militärische Ausbildung, nahm an verschiedenen Feldzügen teil und wurde 1510 auf einer Expedition zu den Gewürzinseln zum Kapitän ernannt. Da sich Magellan allerdings mit seinem Schiff heimlich von der Flotte entfernte, um weiter nach Osten zu segeln, wurde ihm das Kapitänspatent wieder abgenommen. Ein Jahr später kehrte er nach Portugal zurück und kämpfte 1513 in Marokko in der Schlacht von Azamor, wo er am Knie verwundet wurde.
Danach fiel Magellan bei König Manuel I. in Ungnade: Er hatte sich beim illegalen Handeln mit den Mauren erwischen lassen. Statt für seine treuen Verdienste für Portugal in Indien und Marokko in den Adelsstand erhoben zu werden, wird er am 15. Mai 1514 aus dem portugiesischen Staatsdienst entlassen. Zutiefst verletzt verlässt er, ebenso wie zuvor Christoph Kolumbus, Portugal und bietet seine Dienste der spanischen Krone an.
Biographen vermuten, dass Magellan im portugiesischen Seefahrtsarchiv eine geheime Karte mit einer Durchfahrt in Südamerika, einem Paso zum Pazifik, gefunden habe. Er schlug also König Karl 1517 eine Entdeckungsfahrt in Richtung Gewürzinseln vor, ohne das Land oder das Meer des portugiesischen Königs zu berühren. Unterstützung fand Magellan beim Astronomen Ruy Faleiro sowie beim Kardinal von Burgos. Im selben Jahr heiratet er eine spanische Beamtentochter und zeugt mir ihr den Sohn Rodrigo, wodurch sein gesellschaftliches Ansehen in Spanien steigt.
Am 22. März 1518 schloss Magellan in Valladolid mit Karl I. einen Vertrag, der die Bereitstellung und Finanzierung von fünf Schiffen vorsah. Ihm als Generalkapitän und Faleiro wurde ein Fünftel der Reichtümer versprochen, die die Reise zu den Gewürzinseln bringen sollte, sowie die Gouverneursposten für sie und ihre Erben in allen von ihnen entdeckten Ländern. Dazu kam die Zusicherung, dass kein anderer außer ihnen in den nächsten zehn Jahren für Spanien eine solche Expedition unternehmen dürfe. Finanziert wurde die Reise durch die spanische Krone, den Reeder Cristobal de Haro und teilweise auch das Bankhaus der Augsburger Fugger.
Nach Patagonien und Feuerland
Zentnerweise Zwieback, getrockneter Fisch, Käse, Öl und sogar ein paar lebende Kühe hatte Magellan an Bord der Karavellen bringen lassen, mit denen er am 20. September 1519 von Sanlucar in See stach. Auch 253 Fässer Wein landeten in den Schiffsbäuchen, dazu 50 Kugelgewehre, 1000 Lanzen und 200 Piken. Für die kostbaren Gewürze wurde Tauschware geladen, billiger Tand wie Schellen und Glöckchen, kleine Spiegel, Messingschmuck und 40 Säcke mit Glasperlen.
Flaggschiff war die 120 Tonnen schwere „Trinidad“, die Mannschaft bildeten über 230 Seeleute, darunter Magellans malaiischer Sklave Enrique Melaka, den er 1511 mitgebracht und dem er beim Erfolg der Expedition die Freiheit versprochen hatte. Mit an Bord ist auch der Italiener Antonio Pigafetta, der eine Chronik der Reise schreibt. Die Vorbereitungen waren Manuel I. nicht verborgen geblieben, weshalb er Geschwader nach Brasilien und ans südliche Afrika schickte, um der spanischen Flotte den Weg zu versperren, was jedoch nicht gelang.
Im Dezember ankert Magellan in der Bucht von Rio de Janeiro und erreicht im Januar 1520 die Mündung des Río de la Plata. Fluss oder die gesuchte Durchfahrt – systematisch erkunden die Seeleute das Gewässer, bis Magellan verkündet, dass es sich um einen Fluss handele. Nicht alle Offiziere teilen diese Meinung. Südlich des Río de la Plata fahren sie auf unerforschtes Meer. Niemand weiß, wie lange die Reise dauern wird. Niemand weiß, ob die Suche nach der Passage überhaupt einen Sinn hat. Zwischen den spanischen Kapitänen nebst Besatzung und ihrem portugiesischen Befehlshaber kommt es immer wieder zu Spannungen.
Am 31. März 1520 lässt Magellan die Anker vor der Bucht von San Julián werfen, wo die Expedition den Winter verbringen soll, und macht den Fehler, die Essens- und auch die Weinration zu kürzen. Das führte innerhalb von nur zwei Tagen unter den von Ungewissheit und Kälte zermürbten Männern zur Meuterei: Sie fordern die Rückkehr. Magellan reagiert mit eiserner Faust, lässt zwei Kapitäne köpfen, weitere Meuterer aussetzen und seinen Vertrauten Juan Rodriguez Serrano die weitere Küste mit seinem Schiff „Santiago“ erforschen. Das verliert Serrano und kämpft sich mit seiner Besatzung wochenlang an Land zurück zum Lager: Magellan tauft es Patagonien, Land der Großfüßer (spanisch patagón), denn die Einheimischen kamen den Europäern wie Riesen vor. Zwei von ihnen lockte man mit Geschenken an Bord, um sie später in Spanien vorzuführen. Sie überlebten die Reise nicht.
Im Oktober bricht Magellan wieder gen Süden auf und erreicht einen Küstenvorsprung – er nennt ihn Kap der 11000 Jungfrauen – von dem aus es nach Westen geht. Nach dreitägiger Erkundung die erlösende Nachricht: das Wasser bleibt salzig, es muss eine Meeresstraße sein. Stürmische See, Nebel, Meerengen und Einschnitte, dazu hohe Gezeiten – die Navigation erfordert alle Seemannskunst. Wieder schickt Magellan zwei Schiffe auf Erkundungsfahrt – eins nutzt die Gelegenheit zur Desertation und segelt nach Spanien zurück.
Die verbliebenen drei aber durchfahren die knapp 600 Kilometer lange Meeresstraße, die später nach dem großen Seefahrer benannt werden wird. Da das Fest in die Zeit der Durchfahrt fiel, nennt er sie selbst Allerheiligenstraße. Am linken Ufer sehen die Matrosen nachts den Schein von Lagerfeuern – das Gebiet heißt seither Feuerland. Am 28. November 1520 ist es soweit, Magellan erreicht das Südmeer, das zunächst so ruhig ist, dass es der Generalkapitän „Mar Pacífico“ nennt – das Friedliche. Als sich nach 38 Tagen Fahrt durch die stürmische Meerenge endlich die Weite des Ozeans öffnete, soll er weinend zusammengebrochen sein.
Reingewinn von etwa 500 Golddukaten
Doch noch steht der schlimmste Teil bevor: Tausende Kilometer durch den Pazifik – erst nach 98 Tagen wird die noch für viele Jahrzehnte längste bekannte Seereise ohne Unterbrechung nach einer Distanz von 1300 Kilometern zu Ende gehen. Magellan hatte mit gerade einem Monat gerechnet. Die Fahrt wird zur Tortur: Kein Frischwasser kann an Bord geholt werden, die Vorräte schwinden, Skorbut macht sich breit. Zu Essen gibt es nur noch Zwieback, doch der ist von Würmern und Maden befallen und mit Rattenkot verschmutzt. Die Seeleute beginnen Leder zu rösten oder in Salzwasser zu dünsten und kochen Suppe aus Sägespannen. Wer so geschickt war, eine Ratte zu fangen, konnte sie selbst essen oder gewinnbringend verkaufen: Für einen halben Dukaten! Mindestens 19 Menschen starben, und um keinen Kannibalismus zu riskieren, lässt Magellan die Leichen sofort ins Meer werfen.
Wie sich später herausstellte, muss die Expedition an hunderten fruchtbaren Inseln vorbeigesegelt sein, ohne eine zu sichten. Am 6. März 1521 erreicht sie schließlich Guam. Von der Besatzung sind zu jenem Zeitpunkt noch 150 am Leben. Die Inselgruppe, die heutigen Marianen, bekam von Magellan den wenig schmeichelhaften Namen „Diebesinseln“: Die Bewohner begannen, sich freimütig am Hab und Gut der Eroberer zu bedienen, und stahlen gar ein Beiboot. Deswegen lässt Magellan einige Ureinwohner hinrichten. 10 Tage später entdeckt er die erste Insel der Philippinen, Homonhon, nimmt sie für die Krone Spaniens in Besitz und beginnt, die Einwohner zum christlichen Glauben zu bekehren.
Auf der Insel Cebu mit König Radscha Humabon gelingt das zunächst, auf der Nachbarinsel Lappu-Lapu (Mactan) dagegen nicht. Als Magellan am 27. April 1521 versucht, die Insel gewaltsam in spanischen Besitz zu bringen, werden die zahlenmäßig unterlegenen Spanier von den Einheimischen noch am Ufer zurückgedrängt. Mehrere Seeleute sterben, darunter auch Magellan. Pigafetta berichtet, dass der Generalkapitän als einer der letzten, noch im Wasser stehend, gekämpft habe, um den Rückzug seiner Leute zu decken. Ein vergifteter Pfeil habe erst seinen Oberschenkel durchbohrt, danach sei er von zwei Lanzenstößen niedergestreckt worden. Magellans Sklave Melaka kann fliehen.
Ein Grab erhält Ferdinand Magellan nicht. Zwar bemühen sich die Spanier um die Herausgabe ihres Anführers. Die Einheimischen denken aber nicht daran, die wertvolle Leiche herauszurücken. Der eben erst bekehrte König von Cebu sagt sich wieder vom Glauben los und lässt die Spanier angreifen. 35 Seeleute kommen ums Leben. Die dezimierte Expedition versenkt das dritte Schiff, macht sich mit den beiden übrigen auf die Weiterreise nach Borneo und erreicht am 6. November die Molukkeninsel Tidore, wo sie mit dem Sultan handeln konnte und endlich an die ersehnte Ware kam.
Da die „Trinidad“ noch überholt werden musste, segelt am 21. Dezember die „Victoria“ allein los und erreichte mit ca. 26 Tonnen Gewürzen nach zwei Jahren, elf Monaten und zwei Wochen sowie vielen Widrigkeiten am 6. September 1522 Sanlúcar, den spanischen Ausgangshafen: Lediglich 18 Überlebende waren noch übrig. Vom Schwesternschiff, das von den Portugiesen gekapert wurde, kehrten erst im Sommer 1527 gerade weitere drei zurück. Nach Abzug aller Kosten, darunter auch der Schiffsverluste, blieb ein Reingewinn von etwa 500 Golddukaten. Der „Victoria“-Kapitän Juan Sebastián Elcano, der als Steuermann die Fahrt begonnen hatte, erhielt vom König ein Wappen mit der Inschrift: „Als erster hast du mich umrundet“.
Die erste Weltumseglung hatte vielerlei Folgen. Die Kugelgestalt der Erde war endgültig nachgewiesen. Dann wurde deutlich, dass der Erdumfang viel zu gering geschätzt worden war. Pigafettas Reisebeschreibung wies einen Tag zu wenig auf, was die Notwendigkeit einer Datumsgrenze unterstrich. Spanien brach mit der Reise auch das Handelsmonopol der Portugiesen; überhaupt stieß der Welthandel in völlig neue Dimensionen vor. Die Magellanstraße hatte ihre größte Bedeutung vor dem Bau des Panamakanals: An ihren Ufern konnten sich die Seefahrer bequem mit Proviant und Trinkwasser versorgen und waren nicht den unberechenbaren Naturgewalten vor Kap Hoorn ausgesetzt.
Der europäische Rat legte anlässlich des 500. Jubiläums im Sommer eine Zwei-Euro-Gedenkmünze auf, von der insgesamt 770.000 Stück ausgegeben wurden. Verblüffend ist, dass Magellan im Übrigen weniger in der Nautik, sondern eher der Astronomie gewürdigt wird: Er beschrieb als erster die zwei irregulären Zwerggalaxien außerhalb der Milchstraße, die am Südhimmel mit bloßem Auge sichtbar sind – und nach ihm Magellansche Wolken genannt wurden. Auch eine amerikanische Raumsonde, zwei Mond- und ein Marskrater tragen für immer seinen Namen.