Offener Brief an Kai Gniffke
2. April 2020 von Thomas Hartung
Sehr geehrter Herr Gniffke,
„Die AfD hat genauso einen Anspruch auf eine faire Berichterstattung wie jede andere Partei auch“, sagten Sie am 25. Oktober noch als ARD-Aktuell-Chef bei einer Dresdner Podiumsdiskussion, der ich selbst beiwohnte. „Wir haben zu einem professionellen, sachlichen Umgang mit der neuen Partei gefunden, die nun in unserer Berichterstattung gilt“, sagten Sie als SWR-Intendant am 27. März der Jungen Freiheit. An beidem ist nach der vorgestrigen Berichterstattung, wieder einmal, zu zweifeln.
Zum Hintergrund: ich lud am 30. März 15.56 Uhr die SWR-Hörfunk- und Fernsehredaktion zu Zeiten von Homeoffice, virtuellen Konferenzen etc. ein, über die reale AfD-Fraktionssitzung am 31. März 10.00 Uhr mit den beiden Initiativen „Verfassungsklage an M. Aras“ und „Fragenkatalog an T. Schopper“ zu berichten. Ihr Redakteur M. Pfalzgraf sagte 20.11 Uhr zu und war am Morgen auch mit Team vor Ort, führte ein Interview mit Fraktionschef Bernd Gögel und machte Schnittbilder.
Heraus kam in der SWR-Aktuell-Sendung ein Minutenstück zum Parteiausschluss von Stefan Räpple MdL, den das Landesschiedsgericht am Abend zuvor beschlossen hatte. Kein Wort über die (am Nachmittag verworfene) Verfassungsklage, die den unerträglich autokratischen Zustand anprangerte, die permanente demokratische Kontrolle der Regierung durch das Parlament nicht zuzulassen – offenbar nimmt der SWR diesen Zustand als normal wahr. Und auch kein Wort über den Fragenkatalog zur Corona-Situation, mit dem die größte Oppositionsfraktion im Südwesten eine transparente, tagesaktuelle Teilhabe am Informationsstand der Landesregierung einforderte, um ihrer Kontrollfunktion gerecht zu werden und zu prüfen, ob die Landesregierung tatsächlich zum Wohl der Bevölkerung agiert.
Damit hat Ihr Sender mustergültig alle Klischees bedient, die ihm, neben den anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten, seit Jahren vorgeworfen werden. Zum Ersten haben Sie nach dem Prinzip der Medialisierung eine Neben- zur Hauptsache gemacht: Ein Parteiausschluss isoliert, eine Mehrheitsklage dagegen kollektiviert und normiert. Das betrifft auch und erst recht die Fragen an Bernd Gögel, die sich bestenfalls tertiär um die Person Räpple drehten. Zum Zweiten haben Sie nach dem Prinzip der Mediatisierung den Einzel- zum Normalfall erhoben: die Person Räpple wird als fraktionsentscheidend gezeigt, nicht der kollektive sachpolitische Wille der anderen Fraktionäre.
Und zum Dritten haben Sie nach dem Prinzip der „instrumentellen Aktualisierung“ (Kepplinger 2011) genau jene Sachverhalte gehypt, die ihrem politischen, oder besser politisch korrekten, Verständnis entsprechen, und die anderen, mehrheitlich dem Land und seiner Bevölkerung nutzenden durch Verschweigen abgewertet. Das ist nicht nur hochgradig unseriös, sondern manipulativ, desinformativ und letztlich destruktiv: Sie wollen den Südwesten und seine Bürger nicht einen, sondern seine Spaltung vorantreiben, indem sie Ausgrenzung befördern – ein Schema, das der SWR nach Auskunft meiner Kollegen von Anbeginn betreibt: die AfD findet auf sachpolitischer Ebene nicht statt, sondern nur auf moralischer Metaebene. Das kündet von der Heraufkunft der Schmitt‘schen Freund-Feind-Unterscheidung im Journalismus und kann nicht Aufgabe eines bürgerfinanzierten Senders sein. Erst recht nicht, und dieser Verdacht liegt sehr nahe, einen privaten Feldzug gegen einen Politiker zu führen, dessen Protestaktionen gegen sich man vielleicht nicht gutheißt.
Sehr geehrter Herr Gniffke, dass ich nach gerade vier Wochen Arbeit als Pressesprecher ob solcher Unkollegialität verschnupft bin, können Sie diesen Zeilen entnehmen: Sie haben bewiesen, dass die altehrwürdige Theorie der Nachrichtenwerte (vgl. zuletzt Maier/Ruhrmann/Klietsch 2007 und Maier/Stengel/Marschall 2010) nicht nur funktionalisiert, sondern leider auch ideologisiert, ja moralisiert werden kann. Das hat mit einem Grundversorgungsauftrag „Information – Bildung/Beratung – Unterhaltung“ rein gar nichts mehr zu tun – aber umso mehr mit einem Pädagogisierungs-, ja eingebildeten Indoktrinationsauftrag. Den hatten Sie nicht, den haben Sie nicht und den werden Sie auch nie haben. Also befleißigen Sie sich gefälligst all- statt einseitiger Information; die habe ich in meiner aktiven Zeit als Fernsehjournalist und Mediendozent von meinen Redakteuren, Volontären und Studenten selbst eingefordert. Die Manipulierbarkeit des Menschen endet an der Wahrheit. Unser Land braucht Sinn, keinen publizistischen Unsinn.
Mit verhältnismäßig freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Hartung
Pressesprecher
Sehr geehrter Herr Dr. Hartung,
danke für die klaren Worte. Es wird aber wenig nützen, da unsere Medien eindeutig systemverpflichtet berichten. Das beginnt z.B. mit Berichten zu Russland, China, ja zu allen Staaten und Regierungen, die der kommunistischen Ideologie zugerechnet werden, mit abwertenden Adjektiven in allen Berichten, mit Bezeichnungen wie „Regime“, Diktatoren, mit Bildern von prügelnden Polizisten in Hongkong, Moskau, aber nicht in Paris, England usw.usf. Bei der Bildung bringt der unsägliche Lesch unhaltbare Äußerungen zur CO2-Problematik und zur Gravitation, bei der Unterhaltung erschlägt man uns mit Wiederholungen.
Das lässt sich weiterverfolgen bei Hanau, wo von rechter Idiologie geschwätzt wird, obwohl der Vater für die Grünen in den Gemeinderat gewählt werden wollte. Überall Indoktrination anstatt Information, Bildung und freie Meinungsäußerung wird durch Claqueure und Zusammensetzung der Diskutanten in den Talksendungen kaputt gemacht. Ich höre auf damit, Sie können es besser.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. R. Spitz