Zahlungsmoral: exzellent!
22. März 2011 von Thomas Hartung
Schon 2007 beklagte der Bundesverband der Selbstständigen den stetigen Verfall der Zahlungsmoral. Inzwischen muss auch ich immer öfter meinen Honoraren hinterherlaufen, parallel dazu werden Schuldner in ihrem Verhalten immer dreister. Da werden Zahlungsziele (die in Deutschland üblichen 2 Wochen sind schon zunehmend auf 4 Wochen gedehnt) offenbar nur darum vertraglich vereinbart, um sie dann zu ignorieren. Da werden für feste Mitarbeiter Bier- und Bratwurstevents veranstaltet, aber die Rechnungen der Freien selbst nach 8 Wochen (Zahlungsziel PLUS Überschreitung) nicht bezahlt. Da werden ebenso inhaltslose wie feige Entschuldigungsmails geschrieben, wenn man ein persönliches Gespräch oder mindestens ein Telefonat erwartet, in dem gemeinsam Alternativen wie Ratenzahlung, Stundung usw. besprochen werden könnten. Und da wird sogar bestritten, dass man sich als Schuldner mit den einbehaltenen Honoraren einen stillen Kredit verschafft, und also berechtigte Zinsnachforderungen unbeachtet gelassen. Der Gang zum Anwalt als letztes Mittel, das ich auch schon nutzen musste, ist zwar kurzfristig hilfreich, um das selbstverständliche Honorar einzutreiben, aber langfristig schädlich, da solch unbequemen Dozenten natürlich keine Lehraufträge mehr erteilt werden.
Das allerdings waren bis ins letzte Jahr hinein vor allem privatwirtschaftliche Erfahrungen. Aktuell aber lassen sich die auch von staatlicher Seite bestätigen – obwohl die Ursachen hier andere scheinen. Ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Dresdner TU ergab soeben, dass für die Abrechnung aller (!) Lehraufträge der Universität nebst anderen Rechnungsdingen ganze ZWEI Mitarbeiterinnen zuständig sind. Dass die derart Überlasteten auch ab und zu krank werden und dann keinerlei Bearbeitung mehr erfolgt, liegt auf der Hand. Das bedeutet: aufgrund des universitären Abrechnungsmodus per Semester statt per Monat habe ich für die TU Dresden seit der ersten Oktoberwoche 2010 gearbeitet, ohne bis heute dafür einen Cent auf dem Konto zu sehen. Wohlbemerkt: an einer Universität, die im Rahmen der Exzellenzinitiative noch im Rennen ist.
Nun – ob fehlende Moral oder fehlendes Personal: das Resultat ist identisch. Und lässt des Gläubigers Glauben, dass in diesem Land Einsatz, Qualität und Zuverlässigkeit honoriert werden, weiter sinken. Eine Beschwerdestelle dafür ist jedoch nirgends zu finden.
Aber wenn, wer freiwillig und zudem pünktlich zahlt, inzwischen eine Minderheit bildet, dann läuft grundsätzlich etwas falsch.