Berufsausübungsverbot
11. März 2021 von Thomas Hartung
Sehr geehrter Herr Gniffke,
dass ich Ihnen binnen eines Jahres zum zweiten Male einen „Offenen Brief“ schreibe, ja schreiben muss, ist für beide Seiten kein gutes Zeichen. Für mich, da meine Anliegen im Namen meiner Partei für Sie offenbar ignorabel sind; für Sie, da Ihr Sender offenbar ohne Ihre Führung schaltet und waltet, wie ihm gut dünkt.
Der zur Rede stehende Fakt ist rasch berichtet: während ich als Pressesprecher der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg letzte Woche meinen Fraktionschef und Spitzenkandidaten Bernd Gögel MdL noch problemlos zur Radio-Liveübertragung von „Leute heute“ (SWR 1) ins Stuttgarter Funkhaus begleiten durfte, wurde mir das zur TV-Aufzeichnung eines Interviews für das ARD-Mittagsmagazin diese Woche bereits verwehrt – neben dem Ausfüllen eines Corona-Kontaktformulars gesellte sich plötzlich die Ansage, ohne Maske das Gebäude nicht mehr zu betreten. Ich bin aus medizinischen Gründen, die außer meinen Arzt niemanden auf dieser Welt zu interessieren haben, maskenbefreit.
Gestern Abend nun verständigte mich die zuständige SWR-Wahlkampfkoordinatorin, dass ich ohne Maske ab sofort auch bei keiner SWR-Übertragung mehr dabei sein dürfe. Das beträfe die Kandidatenrunde heute Abend in der Wagenhalle ebenso wie die Spitzenrunde am Wahlabend im Landtag. Sie begründete das mit einer internen Regelung, da viele Mitarbeiter „Ängste“ hätten. Ich kündigte ihr an, dass ich dieses faktische Berufsausübungsverbot nicht unkommentiert lassen werde. Nur illustrativ: bei der ZDF-MoMa-Übertragung diese Woche war ich selbstverständlich maskenlos dabei.
Sehr geehrter Herr Gniffke,
dieser Vorgang ist eine Bankrotterklärung jedweder Demokratie.
Zum ersten werde ich von der Presse – namentlich einem öffentlich-rechtlichen Sender – an der Wahrnehmung meiner beruflichen Aufgaben als Pressesprecher gehindert. Das wird Ihnen – Stichwort Medienkritik im Allgemeinen, ÖR-Kritik im Speziellen und SWR-Kritik im Besondern -, bei einer bestimmten Klientel, um es dezent zu formulieren, keinerlei Sympathiepunkte bringen.
Zum zweiten wäre ein solcher Vorgang zwar auf privatrechtlicher Ebene juristisch legitim (ob moralisch, sei dahingestellt) – wer als Einzelhändler trotz medizinischer Bedenken eine Maskenpflicht zur Zugangsvoraussetzung zu seinem Ladengeschäft macht, kann das tun – keinesfalls aber auf öffentlicher Ebene: Da ist er schlicht herabsetzend, demütigend, ja diskriminierend.
Zum dritten aber – und das ist der primäre Punkt – zeigt diese Diskriminierung, wohin sich unsere Gesellschaft bewegt: Nämlich zu einer der „Dazugehörenden“ und der anderen. Die einen lassen sich „freitesten“, die anderen nicht. Verweigern Eltern diese Testpflicht und werden ihre Kinder von der Schule vom Unterricht ausgeschlossen – hindert dann auch die Schule die Kinder daran, dass sie ihre Schulpflicht erfüllen wollen?
Die einen lassen sich impfen, die anderen nicht. Hindern dann diverse Institutionen, Behörden… etc. ihre ungeimpften Mitarbeiter/Besucher daran, ihre gesetzlich verbrieften (Grund-)rechte wahrzunehmen? Inwieweit kann für eine kaum erforschte Krankheit ein überstürzt zugelassener Impfstoff verpflichtend gemacht und aus dieser Verpflichtung eine Teilhabemöglichkeit oder –unmöglichkeit abgeleitet werden?
Wir haben es hier mit mehrfachen Paradigmenwechseln zu tun, die jedem Demokraten die Haare zu Berge stehen lassen müssen – einerseits ob der damit verbundenen Grundrechtsverletzungen, andererseits ob der damit verbundenen Alltagseinschränkungen. Galt bis 2020 der Grundsatz, dass die Bevölkerung per se gesund ist, gilt nun der Generalverdacht, dass die Bürger potentielle Virenüberträger, ja „symptomlos Infizierte“ und also krank sind. Auf der Ebene Ihres Senders wird im Kleinen reproduziert, was uns der Staat seit Monaten im Großen zumutet: durch die Krankheitshysterie weniger werden nicht viele, sondern gleich alle in Geiselhaft genommen. Wer meint, dass ich ihm gefährlich werden könne, kann in meiner Gegenwart gern ebenso achtsam sein wie ich auch.
Galt bis 2020 der Grundsatz, dass sich der Mensch Strukturen schafft, um darin (besser) zu leben, gilt nun der Grundsatz, dass sich der Mensch den Strukturen unterzuordnen habe, um deren Funktionalität nicht zu gefährden. Strukturen, die überdies selbstverschuldet kaputtgespart wurden: Allein Kretschmanns zwei Regierungen schlossen 30 Krankenhäuser. Dabei wird von der absurden Gleichsetzung ausgegangen, dass positiv getestet gleich infiziert und infiziert gleich krank und krank gleich potentieller Beatmungspatient bzw. potentieller Toter heißt.
Und galt bis 2020 der Grundsatz, dass die Regierung Eingriffe in bürgerliche Freiheits- und parlamentarische Standesrechte (wie das Haushaltsrecht) rechtfertigen muss, gilt nun der Grundsatz, dass dem Bürger Grundrechte wie Almosen wieder ausgehändigt werden, wenn die Regierung es aufgrund astrologischer Kennziffern wie etwa „Inzidenzwerten“ oder, siehe oben, sozialer Zwangsmaßnahmen wieder erlaubt. Grundrechte aber sind nicht verhandelbar, Punkt!
Wir als Rechtsstaatspartei fordern seit Monaten, den Menschen ihre Selbstverantwortung, erst recht ihre Grundrechte zurückzugeben. Wenn im Winter die Straßenverhältnisse durch Eis und Schnee beeinträchtigt sind und Gefahren bergen, erlassen wir doch auch keine Fahrverbote, sondern klären über die Gefahrenlage auf und bitten die Bürger, ihre Fahrweise an gefährliche Gegebenheiten wie Straßenglätte anzupassen. Genau das erwarten wir nicht nur von der Landesregierung, sondern auch von allen öffentlichen Institutionen, eben auch dem SWR.
Vulnerable Gruppen – hat der SWR eigentlich so viele vorerkrankte/gefährdete Mitarbeiter? – werden nicht dadurch geschützt, dass andere Gruppen diskriminiert werden – von der Wirkung oder Nicht-Wirkung diverser Maskentypen ganz zu schweigen. Wenn ich an/in den Bahnhöfen, Bussen und Bahnen ständig zum Maskentragen aufgefordert werde, frage ich mich, wie sehr eine Regierung ihren Maßnahmen misstrauen muss, wenn sie die Bürger damit derart penetriert. Und wenn sich Stefanie, Jessica oder Sebastian „aus der S-Bahn-Leitstelle“ bei uns Fahrgästen täglich fürs „Mitmachen“ bedanken, frage ich mich, ob es sich um eine dringend gebotene medizinische Schutzmaßnahme, ein neues Gesellschaftsspiel oder einfach nur um einen gigantischen IQ-Test handelt.
Sehr geehrter Herr Gniffke,
anstatt all diesen Sachverhalten in Ihrer Berichterstattung genügend Raum zu geben und verschiedene Perspektiven wissenschaftlich objektiv und vorurteilsfrei zuzulassen, folgen Sie nur einer: der Regierungsperspektive. Und nicht genug damit: Sie schwelgen nicht nur redaktionell in ihr, sondern folgen ihr auch in Ihrem Anstaltsalltag. Damit behindern Sie nicht nur einen Repräsentanten der bislang wählerstärksten Opposition, sondern grenzen ihn auch aus. Laut SWR-Staatsvertrag vom 30. Juni 2015 sollen Sie aber genau das nicht tun, sondern „den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern“. Ich erwarte umgehend, dass Sie Ihre Haltung und die Ihres Senders reflektieren und revidieren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Hartung