„…so richtig wollen sie uns nicht an ihrem Tisch Platz nehmen lassen…“
25. März 2011 von Thomas Hartung
Diesen Satz postete Uwe Hassbecker im Nachgang der Echoverleihung auf seinem Facebook-Profil – als einer seiner „Freunde“ weiß ich davon.
Zunächst: Uwe Hassbecker ist einer der besten Gitarristen dieser Republik. Der uneheliche Sohn Herbert Kegels war „Gitarrero“ und prägendes „Silly“-Mitglied; ein halbes Jahr vor ihrem Tod (22. Juli 1996) heirateten Tamara (Danz) und er. Was mir diese Band bedeutete und bedeutet, tut dabei erstmal nichts zur Sache.
Ein Mann und Musiker seines Formats braucht eigentlich nicht weinerlich zu sein. Erst recht nicht, nach dem Platin-Erfolg von „Alles Rot“ nun in der Kategorie „Gruppe national Rock/Pop“ gegen „Ich + Ich“ verloren und im Gegenzug via Anna Loos den Echo als „Bester Künstler Rock/Pop National“ an Frauenschwarm David Garrett überreicht zu haben.
Was also ist passiert; oder besser: könnte passiert sein?
Ich war live nicht dabei; vielleicht glücklicherweise. Der „Spiegel“ brachte unter der bezeichnenden Schlagzeile „Gier frißt Gehirn“ die vielen negativen Kommentare im deutschen Mediendickicht auf den Punkt:
„Die Echo-Verleihung erwies sich als plumper Kommerz-Mischmasch, bei dem sich niemand irgendetwas gedacht hatte – auch nicht Moderatorin Ina Müller, die sich mit Sex-Gags um ihre Karriere plapperte. Momente der Irritation durchziehen fortan den Abend, in fast jeder Kategorie gibt es einen Nominierten, bei dem man denkt: ‘Noch ganz frisch, liebe Echo-Veranstalter?’“
Ob hier aus des Gitarristen kleiner Wut am ahnungslosen Schein eine große ahndungsvolle Wut am Kommerz wurde? „Es gibt die Gewinner der Industrie und die der Fans!“ war Stunden danach in Foren zu lesen, und „ihr seid einfach zu gut, und zu ehrlich. Das ECHO der Fans ist mehr wert!!!“
Bei „Ich + Ich“ sucht man gute, ehrliche Botschaften vergebens; zu finden sind vor allem gewisse personalisierte Klischees: weichgespülte Selbstzweifel, schokoladig verpackt; mittelgroße Gefühle, monoton studiooptimiert; seichte Konsumkritik, uninspiriert zusammengereimt…
Mir scheint, als gäbe es bei sensiblen Sinnsuchern – zuvörderst bei Hassbecker – noch jenes Gefühl für Authentizität, das selbst den sexistischen Aperçus Ina Müllers fehlte. Und damit jenes Gefühl von Ausgeschlossensein ob dieser Authentizität, weil die ja nicht äußerlich zu erreichen ist, sondern jener inneren Sinnarbeit bedarf, die heute nur noch die wenigsten leisten wollen. Flake („Rammstein“) brachte es nach seinem hinberlinerten Satz „So watt kann passieren, wenn det Publikum den Preis vergibt“ auf den Punkt: „Dankeschön an … Vattenfall. Sonst wäre hier das Licht aus.” Der Kommerz-Kotau ist verpackt in gnadenlosen Zynismus, der auf eine Art überschauende Allgegenwart schließen lässt. Ein Zynismus, der außer Gnadenlosigkeit nichts mehr kennt.
Dieses Stadium hat Hassbecker – dem Publikum „mehr Wahrheit“ unterstellend – noch nicht (ganz?) erreicht. Zum Glück. Aber er ist kurz davor; wie viele andere auch: sie wollen Platz nehmen, aber dürfen es nicht. Sie wollen gut sein und brauchen es nicht. Sie wollen wirken und werden abgewürgt. Was für eine Metapher konstruiert dieser Satz im Jahre 21 der deutschen Einheit…
„Keiner hörte als ich sang – man sah das schöne Wetter“ war schon ein tragender Vers der DDR-Rockmusik, zu hören in Renfts “Als ich wie ein Vogel war“. Aber schönes Wetter ist so häufig schon lange nicht mehr. Und Japan war nicht der Anfang des Hässlichen.
[…] an die Decke gehen! „…so richtig wollen sie uns nicht an ihrem Tisch Platz nehmen lassen…“ empörte sich schon 2011 Silly-Gitarrist Uwe […]
[…] an die Decke gehen! „…so richtig wollen sie uns nicht an ihrem Tisch Platz nehmen lassen…“ empörte sich schon 2011 Silly-Gitarrist Uwe […]