„Hat ein Film Erfolg, ist er ein Geschäft. Hat er keinen, ist er Kunst.“ (Jean Gabin)
29. März 2011 von Thomas Hartung
Heute jähren sich gleich drei Premieren bedeutender deutscher Filme, die trotz zeitlicher Nähe unterschiedlicher nicht sein können.
Am 29. März 1933 verbot die Filmprüfstelle Berlin nach persönlicher Intervention von Joseph Goebbels wegen „Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ die Erstaufführung von „Das Testament des Dr. Mabuse“. Regisseur Fritz Lang drehte das Opus nach einem Roman von Norbert Jacques. Die Figur des Dr. Mabuse, die Lang zu einer ganzen Reihe von Filmen in verschiedenen Epochen inspirierte, ist der Prototyp des kriminellen Genies, das danach trachtet, die Welt in eine „Herrschaft des Verbrechens“, eine Art Terrorregime der Anarchie zu stürzen. In diesem Film schreibt die Titelfigur, während sie in einer psychiatrischen Anstalt einsitzt, ein Handbuch für Verbrecher und ergreift nach ihrem Tod Besitz von der Person des Anstaltsleiters. Politisch war der Film damals ohne weiteres als kritische Anspielung auf die Nationalsozialisten zu verstehen: Adolf Hitler hatte sein programmatisches „Mein Kampf“ ebenfalls in Gefangenschaft verfasst. Ganze Parolen und Glaubenssätze des heraufziehenden Dritten Reichs hatte Lang den nach Mabuses Anweisungen handelnden Verbrechern in den Mund gelegt. Neben „M“ gilt der Streifen als Glanzlicht nicht nur des frühen Tonfilms, sondern auch als handwerklicher Höhepunkt in Langs filmischem Schaffen.
Die reale Premiere passiert schließlich drei Wochen später, am 21. April – in Budapest. In Deutschland wurde der Film erst nach dem Zweiten Weltkrieg, am 24. August 1951, zum ersten Mal aufgeführt.
Am 29. März 1934 dagegen wurde er in Berlin gezeigt – einer der bedeutendsten deutschen Science-Fiction-Filme: „Gold“ in der Regie des Österreichers Karl Hartl. Hans Albers fabriziert darin mit Hilfe der elektrischen Atomzertrümmerung aus Blei Gold. Den alliierten Zensoren kam nach 1945 bei Ansicht des aufwändig inszenierten Films der Verdacht, dass die Deutschen schon damals einen Atomreaktor gebaut haben könnten, und verbaten ihn daraufhin. Alle Kopien wurden konfisziert und unter Verschluss gehalten; ein Exemplar soll zur Auswertung durch Atomphysiker in die USA geschafft worden sein. Vielleicht landete „Gold“ auch beim FBI, das gerade Alfred Hitchcock überwachte, weil die Nazis in „Notorious“ (1946) Uran schmuggeln. Er ist heute sogar online zu sehen.
Am 29. März 1935 nun wird „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl uraufgeführt, ebenfalls in Berlin. Der Film über den Reichsparteitag 1934 darf in Deutschland bis heute nur zu wissenschaftlichen Zwecken gezeigt werden; seine Vorführungen erfolgen als „Vorbehaltsfilm“ nur mit Kommentaren, da er als NS-Propaganda eingestuft wird. „Triumph des Willens“ gilt als eins der bedeutensten Werke der Regisseurin. Für die einen ästhetischer Dokumentarfilm, für die anderen reine Propaganda, ist er bis heute umstritten. Nichtsdestotrotz hat Riefenstahl neue und richtungsweisende Kamera- und Regietechniken genutzt, damit die Entwicklung der modernen Filmtechnik voran getrieben und viele Künstler und deren Filme stark beeinflusst: bereits fünf Jahre nach der Premiere Charlie Chaplin und seine Nazi-Parodie „Der große Diktator“ (1940). Einzelne Szenen des Filmes imitiert wurden unter anderem auch in „Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung“, „Citizen Kane“, „Clockwork Orange“, „Gladiator“ oder „Der Herr der Ringe“.
Drei meisterhafte Filme, drei verschiedene Genres, und drei Rezeptionsweisen, die die Wirkungen bildbewegter Geschichte und Geschichten erfahrbar werden lassen.